„Der Gott der Geduld und des Trostes gebe euch, dass ihr einträchtig gesinnt seid untereinander, Christus Jesus gemäß, damit ihr einmütig mit einem Munde Gott lobt, den Vater unseres Herrn Jesus Christus.
Darum nehmt einander an, wie Christus euch angenommen hat zu Gottes Lob…
Jesaja spricht: Es wird kommen der Spross aus der Wurzel Isais, und der wird aufstehen, zu herrschen über die Völker; auf den werden die Völker hoffen. Der Gott der Hoffnung aber erfülle euch mit aller Freude und Frieden im Glauben, dass ihr immer reicher werdet an Hoffnung durch die Kraft des Heiligen Geistes.“ (Römer 15,4-13 i.A.)
Liebe Gemeinde!
Mal angenommen, Jesus käme heute in unsere Welt und ginge auf einen Weihnachtsmarkt. Nur mal angenommen. Schließlich ist bald sein Geburtstag. Früher waren solche Märkte klein, meistens ein paar Buden rund um die Kirche. Heute sind die Weihnachtsmärkte riesig geworden. Kleine Dörfer und große Städte haben Märkte. Busse fahren hin und her durchs Land und bringen Touristen von einem Markt zum anderen. Und ich nehme jetzt mal an, Jesus käme heute und ginge auf einen Weihnachtsmarkt. Er sieht die bunten Buden und die Karussells für die Kleinen. Er hört die Musik, auch die Weihnachtslieder zu seinen Ehren. Wie wäre das für ihn, den Heiland der Welt?
Staunen würde er, denke ich, über die Fantasie von Menschen. Staunen, was aus seinem Geburtstag für ein Fest geworden ist mit Glühwein, süßen Mandeln, bunten Wagen, Essen und gut gelaunten Menschen.
Ob jemand Jesus erkennen würde? Eher nicht. Höchstens an der Kleidung. Die ist vermutlich nicht auf dem neuesten Stand. Oder man erkennt ihn an seinem Gesicht, das ja oft wie nicht von dieser Welt ist. Und wenn er spricht natürlich. Nein, er hat nichts gegen Weihnachtsmärkte. Nichts gegen Mandeln und Glühwein. Ihn interessiert etwas anderes, wenn er sich umschaut und staunt. Oder einfach dasteht mit einem Becher Glühwein in der Hand, geschenkt von einem Fremden. Vielleicht kommt er etwas ins Grübeln. Und wenn sich dann die Gelegenheit ergibt, wird er wohl mal leise seinen Nachbarn oder seine Nachbarin fragen: Und euer Herz? Ist das bei der Sache? Dann schauen ihn die Menschen an und verstehen ihn nicht richtig. Wie meinst du das? fragen sie. Dann nimmt Jesus noch einen kleinen Schluck aus seinem Becher. Und fragt dann: Ich meine: Habt ihr einander richtig lieb oder trinkt ihr nur Glühwein?
Dann wird es womöglich etwas stiller werden am Glühweinstand.
Später würde Jesus einfach wieder gehen und weg sein. Nur seine Frage ist noch da. Die seltsame Frage nach der Liebe. Menschen handeln und rackern und schaffen und wissen bald nicht mehr so genau, warum sie das tun. Allüberall ist Heiterkeit und Geschäftigkeit und Geld ausgeben, aber der Anlass dafür ist irgendwie verschwunden oder vergessen oder zugeschüttet. Menschen besorgen vieles und beschenken einander und sind froh über freie Tage, können aber nicht mehr sagen, warum das alles so ist. Bis mal jemand vorbeikommt, freundlich um sich schaut und diese seltsame Frage stellt: Habt ihr, um Gottes willen, einander lieb?
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Wie steht es mit eurer Liebe, fragt Jesus die Menschen auf dem Weihnachtsmarkt. In dem heutigen Predigttext heute heißt es ganz ähnlich, nur mit anderen Worten: "Nehmt einander an". Vielleicht denkt so mancher: Das fehlt gerade noch. Vor allem, wenn ich an den oder die denke. Mir selbst fallen auch Menschen ein, die anzunehmen mir schwerfällt. Dagegen gibt es auch andere, bei denen es leichter fällt, sie anzunehmen, z.B. wenn wir ähnliche Ansichten haben, uns sympathisch sind. Kein Problem mit der Annahme. Zum Problem wird es dann, wenn der andere so anders ist als ich, wenn sein Anderssein Widerstände in mir hervorruft, oder wenn der andere ein Verhalten an den Tag legt, das gar nicht akzeptiert werden darf.
Dennoch heißt es: "Nehmt einander an, so wie Christus euch angenommen hat".
Warum ist es wichtig, dass wir uns gegenseitig annehmen? Der Grund ist ganz einfach: Weil wir Menschen sehr verschieden sind. Das erleben wir bei der Arbeit, im Freundeskreis, in der Familie und natürlich auch in unseren Kirchengemeinden. Weil wir unterschiedlich sind, kommt es zu Missverständnissen und Reibereien. Aber wir brauchen das Miteinander mit den Menschen um uns herum. Allein gehen wir ein.
Wieso ist dabei der Hinweis auf Christus wichtig? Weil wir bei ihm lernen können, wie er Menschen angenommen hat. Menschen, die Jesus begegnet sind, haben gespürt: Er nimmt mich mit all meinen Fehlern, Grenzen und Besonderheiten an. Bei ihm muss ich mich nicht besser machen als ich bin. Wenn er erfährt, wie ich wirklich bin, wendet er sich nicht gleich ab. Er sieht meine Fehler, aber er traut mir auch zu, dass ich mich ändere. Er freut sich sogar über das Gute, dass ich gewollt habe, aber nicht geschafft habe. Um es auf den Punkt zu bringen: Jesus hat Menschen spüren lassen: Es ist gut, dass es dich gibt!
Wenn wir von Jesus lernen, so mit anderen Menschen umzugehen, entsteht ein kleines Stück Himmel auf Erden. Dann kommt eine andere Atmosphäre an unsere Arbeitsplätze, in unsere Freundeskreise, Ehen und Familien und auch in unsere Kirchengemeinen. Schauen wir mal, wie das geht, jetzt so kurz vor Weihnachten. Amen