18. So. n. Trin. – Epheser 5,15-20
Seht sorgfältig darauf, wie ihr euer Leben führt, nicht als Unweise, sondern als Weise, und kauft die Zeit aus, denn die Tage sind böse. Darum werdet nicht unverständig, sondern versteht, was der Wille des Herrn ist…Ermuntert einander mit Psalmen und Lobgesängen und geistlichen Liedern, singt und spielt dem Herrn in euren Herzen und sagt Dank Gott, dem Vater, allezeit für alles, im Namen unseres Herrn Jesus Christus.
Liebe Gemeinde!
Besonders ein Wort fällt mir beim Hören des Predigttextes aus dem Epheserbrief auf: Kauft die Zeit, oder verständlicher für uns übersetzt: „Nutzt die Zeit- Carpe diem“ – auf lateinisch.
Nutzt die Zeit, denn sie ist kostbar, jeder Tag, jede Stunde, jede Minute.
Was ist Zeit? Sie vergeht wie im Flug und Augenblicke scheinen endlos. Niemand kann sie festhalten, speichern oder zurückholen. Oft habe ich sie nicht, manchmal nehme ich sie mir. Meine Zeit erlebe ich als Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft.
Auf jeden Fall: Meine Zeit ist begrenzt. Genau das macht sie kostbar. Sie ist mir geschenkt. Geschenkte Lebenszeit.
Ich habe vor einiger Zeit einen Spielfilm gesehen. Er heißt im englischen Original „In time“ und bekam den deutschen Untertitel „Deine Zeit läuft ab“. Es geht in dem Film darum, dass jeder durch einen Blick auf seinen Unterarm genau sehen kann, wie lange er noch zu leben hat. Das führt zu verschiedenen Reaktionen: Die einen feiern Partys, andere werden kriminell, um für sich möglichst viel herauszuholen und wieder andere sind wie gelähmt und machen gar nichts mehr.
Zu wissen, wie lange man noch zu leben hat, ist also nicht besonders gut. Geht ja auch nicht. Es ist ja, Gott sei Dank, nur im Film so.
Es gibt allerdings eine Ausnahme: Unheilbar erkrankte Menschen wissen nicht selten, dass ihnen nur noch wenig Zeit bleibt. Das kann dann positive Effekte haben: Z.B. das zu tun, was wann schon immer tun wollte, vorausgesetzt man hat noch die Kraft dazu. Sichich zu verabschieden von seinen Lieben, sich zu versöhnen, wenn Streit war….
Aber eigentlich ist es doch so. Wir wissen nicht, wieviel Zeit uns zum Leben gegeben ist.
Andererseits wissen wir, dass unser irdisches Leben irgendwann endet, dass unsere Lebensuhr abläuft. Ziehen wir daraus Schlussfolgerungen? Und wenn ja, welche?
Viele von uns sind Weltmeister im Verdrängen. Ich nehme mich da überhaupt nicht aus.
Doch wenn mir bewusst ist, dass jeder Zeitpunkt einmalig und unwiederholbar ist, dann werde ich so leben, dass ich jeden Augenblick genieße – dass ich Zeit habe für mich, für meine Mitmenschen und für Gott.
In dem Evangelium heute sagt Jesu zu dem reichen Jüngling, der wissen will, wie er ewiges Leben bekommen kann: gehe hin, verkaufe alles, was du hast und gib es den Armen und folge mir nach.
Und auch unser Bibelwort aus dem Epheserbrief gibt uns einen guten Tipp: „So seht nun sorgfältig darauf, wie ihr euer Leben führt, nicht als Unweise, sondern als Weise, kauft die Zeit aus.“
Die Menschen, an die diese Worte gerichtet sind, die Epheser, hatten zu ihrer Zeit ja im Grunde genommen das gleiche Problem wie wir heute. Auch sie wissen, dass sie nicht unendlich viel Lebenszeit zur Verfügung haben.
Lebt sorgfältig! So lautet der Rat an sie. Ich bleibe eine Weile bleibe bei diesem Wort stehen. Lebe ich mein Leben sorgfältig genug, achtsam? Oder lasse ich es laufen und nehme nur mit, was kommt? Es ist doch nicht egal, was ich sage und tue, oder? Mein Leben ist kostbar, dann sollte ich es auch so behandeln, eben als etwas Kostbares. Dann sollte ich achtsam leben.
Doch, wie lebe ich sorgfältig? Ich kann und werde sicher nicht jede Minute darüber nachdenken, was ich als nächstes tue. Es gibt ja den Alltag mit all seinen Herausforderungen, wo ich kaum an so etwas denken kann. Aber es gibt auch die freie Zeit, die ich mir vorhalten sollte und nicht auch diese mit Arbeit füllen muss. Das ist gefährlich und kann zum Ausbrennen führen.
Ich kann meine Zeit auch mal bewusst genießen, entspannt in einem Buch lesen, Musik hören, mich mit Freunden treffen….
Kauft die Zeit aus, sagt der Schreiber des Epheserbriefes, denn es ist böse Zeit.
Ich horche bei diesen Worten wieder auf. Das ist ein neuer Gedanke. Es ist böse Zeit. Ja, denke ich, es ist tatsächlich böse Zeit. Gegenwärtig scheinen sich die Krisen weltweit und auch bei uns zu vermehren, sie überlagern sich. Nach wie vor ist das Corona-Virus in der Welt und die Gelehrten streiten sich immer noch, ob wir schon auf der sicheren Seite sind, oder doch damit rechnen müssen, dass eine neue Variante uns den nächsten schweren Winter bescheren könnte. Und auch sonst liegt vieles im Argen: Krieg, der immer heftiger wird, steigende Flüchtlingsströme, Klimawandel, steigende Preise auf allen Gebieten, Inflation u.u.u.
Und nimmt nicht auch in der Gesellschaft die Toleranz gegen andere Menschen immer mehr ab? Hören wir einander zu, oder wollen wir nur unsere eigene, vermeintlich einzig richtige Haltung in die Welt hinausposaunen?
Ja, es ist böse Zeit. Aber ist das wirklich alles neu? Haben nicht Menschen aller Zeiten ihre Zeit immer wieder einmal als böse Zeit wahrgenommen?
Vermutlich hat Paulus gar keine bestimmte Zeit gemeint. Es gab doch immer Zeiten, in denen das Böse sich breit machen konnte.
Genau darauf gilt es dann auch zu achten: Was geschieht gerade? Wann kann ich nur zuschauen? Wann ist es Zeit zu handeln? Auch das ist ein Aspekt der Sorgfalt, mit der wir unser Leben führen sollen. Auch das heißt, die Zeit auszukaufen: Den richtigen Moment für Reden und Schweigen, für eigenes Handeln erkennen.
Dazu kann Gott uns helfen, er kann uns helfen, den richtigen Weg für unser Leben zu finden. Gottes Geist will uns führen, uns auf den richtigen Weg zu Gott bringen. Er ist das Kraftzentrum, aus dem ich als Christ lebe.
Unsere Lebenszeit ist begrenzt. Beten wir zu Gott, dass er uns hilft, unsere Zeit gut zu nutzen und sorgfältig zu leben.
Der Wochenspruch bringt es so auf den Punkt: „Dies Gebot haben wir von ihm, dass, wer Gott liebt, dass der auch seinen Bruder liebe.“
Die Zeit nutzen und sorgfältig leben beinhaltet also das wichtigste aller Gebote, nämlich Gott zu lieben und den Nächsten wie sich selbst. Dazu helfe uns der Allmächtige.
Amen