12. So. n. Trinitatis Apostelgeschichte 9,1-20
Liebe Gemeinde!
„Da ist es mir wie Schuppen von den Augen gefallen.“
Kennen Sie diese Redewendung? Wenn einem plötzlich etwas klar wird. Ich hatte es nicht gesehen, obwohl es doch vor meinen Augen lag. Ich war blind, nun bin ich wieder sehend.
Mir ist es schon öfter so gegangen. Da hatte ich ein Buch in einem Regal gesucht, ich wusste genau, welchen Einband es hat und bin doch immer wieder daran vorbeigelaufen. Aber auf einmal: Da ist es ja, wie konnte ich es nur übersehen?
Ich denke aber auch an schwierige Situationen; an einen Konflikt, de ich mit jemandem hatte. Wo soll ich denn ansetzen? Wo findet sich der Ausweg? Nicht immer gibt es sofort eine Lösung, oft erst nach langem Bemühen. Aber manchmal macht man zum Glück hin und wieder die Erfahrung, dass plötzlich ein Licht aufgeht, und ein neuer Weg sich abzeichnet.
„Plötzlich fiel es mir wie Schuppen von den Augen.“ Ja, solche Momente gibt es. Dass auf einmal klar wird, wie es weitergehen soll…ein Wort zur richtigen Zeit fällt einem ein oder etwas, was zu tun ist, sehr naheliegend, aber man ist vorher nicht darauf gekommen.
Diese Redewendung stammt aus der Bibel, aus dem Predigttext für heute. Dieser Satz fällt am Schluss der Erzählung, die von der zentralen Wende im Leben des Paulus berichtet. Der Mann, der früher Saulus hieß, schnaubte mit Wut gegen die Christen und versuchte sie auszurotten. Doch da wird er von einem Licht aus der Höhe geblendet, so dass er drei Tage lang blind ist, dann aber wieder sehend wird und sein Leben ändert. Von Gottes Liebe überwältigt, wird er vom größten Christengegner und Hasser zum begeisterten Anhänger und mutigen Bekenner der Christenheit. Er lässt sich taufen und gründet viele christliche Gemeinden, die bis heute existieren.
Und damit haben wir auch schon die zweite Redewendung in dieser Geschichte, die wir benutzen, wenn ein Mensch in seinem Leben eine Wendung um 180 Grad vollzieht. Dann sagen wir: „Er ist vom Saulus zum Paulus geworden.“
Und so erzählt Lukas von der Lebenswende des Paulus, von dem Moment, in dem er erkennt, dass der Christus, der, den er verfolgt hatte, in Wahrheit sein Freund ist, der ihn liebt, der ihm vergibt und zu einem neuen, fröhlichen Menschen macht.
„Da fiel es ihm wie Schuppen von den Augen…“ Das war der Augenblick, in dem Paulus erkannte, dass er bisher in die falsche Richtung gelaufen war.
Solche Momente der Erleuchtung gibt es immer wieder, auch bei uns. Diese Momente, in denen uns klar wird: So kann mein Leben nicht mehr weitergehen, es muss sich etwas ändern, neu, anders werden. Solche Momente, in denen uns klar wird, was zu tun ist.
Da beschließt ein Mann sofort, von einem Moment auf den anderen, mit dem Rauchen und übermäßigen Trinken aufzuhören, weil er erkannt hat: Wenn er so weiter macht, dann ruiniert er sein Leben ganz. Da fiel es ihm wie Schuppen von den Augen… und er fragte sich: Wie er denn nicht früher darauf kommen konnte. Der Weg war nicht einfach, aber er gelang.
Da sagt sich die junge Frau von ihrem Elternhaus los, sie ignoriert deren Warnungen völlig und gerät schließlich auf die Straße. Dort lebt sie mit einigen Gleichgesinnten. Anfangs macht es ihr noch Spaß, doch nach und nach erkennt sie, wie hart und unbarmherzig die Straße ist. Sie verzeiht nichts. Auf einmal kommt ihr die Erkenntnis: Jetzt ist Schluss damit. Wie Schuppen fiel es ihr von den Augen. Ich will mein Leben ändern, sagte sie sich, von Grund auf und, wenn es mir denn gegeben wird, eine Familie gründen….wieder ein normales Leben leben.
Und so geschieht es auch.
Zwei gelungene Beispiele einer Lebenswende sind das. Doch nicht immer geschieht das, je es geschieht eher selten, weil es Kraft und Anstrengung bedarf und einen starken Willen. Aber dort, wo es gelingt, freut sich der Himmel, ist Gott glücklich.
So wie er glücklich war über Saulus, der zum Paulus wurde, der sich am Ende taufen ließ und zum größten Missionar aller Zeiten wurde, der die Liebe Gottes weitertrug bis ans Ende der Welt.
Gott hat sein blindes Herz geheilt, er kann das bis heute bei allen tun, die das wollen.
In dem wunderbaren Lied „Amazing grace“, das wir vorhin gesungen haben, heißt es: „Ich war verlorn, bis er mich fand, war blind, jetzt sehe ich.“ Amen