Ostern 2021 zu Joh. 20, 11-18
Maria stand noch draußen vor dem Grab und weinte. Dabei beugte sie sich vor und schaute hinein. Da sah sie zwei weiß gekleidete Engel. Sie saßen an der Stelle, wo Jesus gelegen hatte, einer am Kopfende und einer am Fußende. »Frau, warum weinst du?«, fragten die Engel. Maria antwortete: »Sie haben meinen Herrn fortgetragen und ich weiß nicht, wo sie ihn hingelegt haben!« Als sie sich umdrehte, sah sie Jesus dastehen. Aber sie wusste nicht, dass es Jesus war. Er fragte sie: »Frau, warum weinst du? Wen suchst du?« Sie dachte, er sei der Gärtner, und sagte zu ihm: »Herr, wenn du ihn fortgenommen hast, dann sag mir, wo du ihn hingelegt hast. Ich will hingehen und ihn holen.« »Maria!«, sagte Jesus zu ihr. Sie wandte sich ihm zu und sagte: »Rabbuni!« Das ist Hebräisch und heißt: Mein Lehrer! Jesus sagte zu ihr: »Halte mich nicht fest! Ich bin noch nicht zum Vater zurückgekehrt. Aber geh zu meinen Brüdern und sag ihnen von mir: ›Ich kehre zurück zu meinem Vater und eurem Vater, zu meinem Gott und eurem Gott.‹« Maria aus Magdala ging zu den Jüngern und verkündete: »Ich habe den Herrn gesehen!« Und sie richtete ihnen aus, was er ihr aufgetragen hatte.
Liebe Gemeinde!
Liebe Gemeinde!
Maria steht vor Jesu Grab und weint.
Es ist zum Weinen, dass eine Pandemie die Welt überzogen hat mit Krankheit, Leid und Tod. Über ein Jahr nun sind wir gefangen in den Beschränkungen, die uns zur Eindämmung auferlegt sind. Sind eingeschlossen in der Angst, selbst an Covid-19 zu erkranken.
Es ist zum Weinen, dass Menschen in ihrer materiellen Existenz bedroht sind. Dass Lebensplanungen von heute auf morgen umgeworfen werden und mancher nicht weiß, wie es weitergehen kann. Dass unsere Kinder und Jugendliche weder bildungsmäßig noch sozial das bekommen, was sie so dringend brauchen. Dass Menschen in die Einsamkeit getrieben sind und seelisch leiden.
Maria steht vor Jesu Grab und weint. Die Tränen sind Ausdruck ihres Schmerzes. Ihr Herr und Meister ist nicht mehr. Sie will ihn wieder zurückhaben. Es geht Maria so wie auch vielen von uns, die von einem geliebten Menschen Abschied nehmen mussten. Wie gerne würden sie alles wieder rückgängig machen. Dass wieder alles so ist, wie es früher war.
Wo finden wir Halt, was gibt und Kraft in unserer Untröstlichkeit, in dem, was nicht zu ändern ist?
Jesus spricht Maria an. Sie hört ihren Namen zärtlich gesprochen. Gesprochen von der Stimme, die sie doch kennt. Von dem ihr zugerufen, den sie so gerne zurückholen möchte. Da gehen Maria die Augen auf und sie erkennt Jesus an dem Zuruf ihres Namens. Ganz warm wird ihr ums Herz beim Hören dieser Stimme und ganz tief in ihr, ganz leise und zart, wächst wie ein kleines Pflänzchen die Hoffnung. Dieser Mann ist kein Fremder, es ist Jesus. Er lebt, er kennt ihren Namen, weiß wer sie ist. Bis eben war sie so sehr in ihrer Trauer eingeschlossen, dass sie nur sich selbst gesehen hat.
„Halte mich nicht fest“, sagt Jesus zu Maria. Gerne hätte sie ihren Herrn festgehalten, den, der sie so beeindruckt hatte mit seiner Art und seinem Auftreten.
„Halte mich nicht fest“, sagt Jesus. Schwer zu begreifen für jemanden, der liebt.
„Ich hätte so gerne noch festgehalten.“ Das sagen wir, wenn unser Leben schlagartig eine andere Richtung einschlägt. Wenn eine Pandemie unsere eingefleischten Lebensmuster zerreißt. Wenn Unabänderliches all das bisher Gewohnte unmöglich macht. Wenn wir nicht zurückholen können, was gestern war und heute nicht mehr sein kann. Dann ist das Ausdruck unserer Trauer und unseres Schmerzes.
„Ich hätte so gerne noch festgehalten.“ Hören wir das nicht aus dem Mund derer, die einen Menschen, gleich welchen Alters, durch Covid-19 verloren haben. Die gehofft und gebangt haben und nicht verstehen, warum gerade sie dieses Schicksal getroffen hat.
„Ich hätte so gerne noch festgehalten.“ Das sagen all die, die ihr Lokal oder ihren Laden schließen mussten. Die sich eine Existenz als Solokünstler aufgebaut hatten und nicht auftreten können. Die gut in der Spur waren und jetzt unsanft ausgebremst wurden.
„Ich hätte so gerne noch festgehalten.“ Wir sagen das, wenn zerbricht, woran uns Herz gehangen hat.
„Halte mich nicht fest. Geh und wende dich dem Leben zu“, sagt Jesu zu Maria. „Die Liebe, die ich gepredigt habe, spüre sie und lebe sie! Die Worte, die ich gesprochen habe, sie sollen dir Kraft schenken. Das Vertrauen, das ich zu Gott vorgelebt habe, mache es zu deinem Gottvertrauen.“
Ich denke, Maria zeigt uns den Weg. Sie hat sich von Jesus rufen lassen. Sie ist nicht in der Trauer erstarrt. Manche Menschen erliegen gerade dieser Gefahr, dass sie sich einschließen in die Welt des Todes und vergessen, nach vorne zu schauen. Ostern will uns in Bewegung setzen. Sicher, den Tod wird es auch weiterhin geben und die Trauer um unsere Lieben. Aber der Auferstandene Herr ruft uns in ein neues Leben. Er will nicht, dass wir vor lauter Trauer das Leben vergessen.
Wir werden die Pandemie hinter uns lassen und ins Leben zurückkehren. Wir werden das Grab, die dunkle Höhle hinter uns lassen und das Mögliche des Lebens vor uns sehen. Aus Trauer keimt Trost und aus diesem Trost erwächst Mut und Kraft. Dazu helfe uns der Auferstandene. Amen