Predigt im Gottesdienst am 23.1.2022 zum Thema Klimawandel (1)

Sun, 23 Jan 2022 12:25:46 +0000 von Horst Seivert

Noah und der Klimawandel

Lesungen:  1. Mose 1f, 1. Mose 6 i.A., Offenb. 21,1-5


Sie alle kennen die Nachrichtenmeldungen, die schon einige Zeit alt sind: Aufgrund der Corona-Pandemie und des Lockdowns der letzten zwei Jahre, konnte sich die Natur  wieder ein wenig erholen. Weniger Verkehr, weniger Produktion, weniger Lärm. Plötzlich gab es den Himmel wieder ohne Kondensstreifen, weil weniger Flugzeuge flogen. Und doch ändert das im Großen und Ganzen nichts daran, dass der Klimawandel seit Jahrzehnten im Gange ist und wir vor tiefgreifenden Veränderungen stehen.

Auch wenn es immer noch einige Menschen gibt, die daran zweifeln: In der Klimawissenschaft ist seit Jahrzehnten klar, dass sich unsere Atmosphäre durch die Freisetzung von Treibhausgasen in Industrie und Verkehr immer weiter erwärmt. Dabei sind die Modelle, die zur Klimaprognose eingesetzt werden, inzwischen sehr verlässlich.

Es ist längst kein Geheimnis mehr: die Hitzewellen im Sommer nehmen auch bei uns in Nordeuropa zu, während es im Winter zu immer stärkeren Niederschlägen kommt. In südlicheren Gebieten werden Hitze und Dürre noch mehr Schaden verursachen. Schon jetzt sterben in Europa jedes Jahr in den Sommermonaten Zehntausende an Hitzetod. Seit Corona haben wir eine bessere Vorstellung davon, wie viele Menschen das sind.

Und dann sind da noch die weitreichenden sozialen Folgen des Klimawandels: Immer mehr Menschen aus heißen, trockenen Gegenden werden versuchen, in fruchtbarere, bereits jetzt dicht besiedelte Gebiete zu ziehen. Daraus können erhebliche soziale Spannungen erwachsen mit der Folge eines Auseinanderdriftens der Gesellschaft. Aus dieser gefährlichen Gemengelage wiederum kann Misstrauen gegenüber der Politik und eine zunehmende Infragestellung der Demokratie erwachsen.

Viele jedoch empfinden den Klimawandel als eine kaum greifbare Bedrohung. Wie soll man auch etwas bekämpfen, das man nicht einmal richtig wahrnehmen kann? Hinzu kommen eine große Hilflosigkeit und das Gefühl der Ohnmacht: was bringt es, wenn ich mit dem Fahrrad statt mit dem Auto zum Einkaufen fahre, während die Industrie weiterhin hauptsächlich mit fossilen Energieträgern läuft?

Die Menschen reagieren auf den drohenden Klimawandel sehr unterschiedlich: Manche beschließen, dass sie sich aktiv für den Klimaschutz engagieren wollen: Sie demonstrieren, führen öffentliche Aktionen durch und pflegen selbst einen möglichst klimaschonenden Lebensstil, essen wenig Fleisch und fahren Fahrrad, Bus und Bahn.

Neben denen, die sich aktiv engagieren, gibt es aber auch Menschen, die von dem Thema Klimawandel niedergedrückt und zermürbt sind, die sich für den Klimawandel schuldig und ohnmächtig fühlen.

Wie kann man mit dieser Schuld, für ein solches Ausmaß an Zerstörung verantwortlich zu sein, überhaupt leben? 

Andere wiederum werden keine Schuld empfinden, sondern im Gegenteil in die Aggression gehen, um diese Schuldgefühle gar nicht erst an sich heranzulassen. Sie werden nach den „Schuldigen“ suchen, den Mächtigen, den Eliten, den Autofahrern, den Vielfliegern usw., um sich selbst zu überzeugen, dass sie das Recht haben, zu den Überlebenden zu zählen.

Angesichts dieser Überlegungen stellt sich die Frage: Wie kann uns der christliche Glaube in diesen Zeiten eine Hilfe sein? Drei Antworten möchte ich versuchen – nach einer kurzen musikalischen Einlage.

Musik

1.Zum Ersten hilft uns der Glaube, indem er uns ermutigt, die Realität wahrzunehmen, statt die Dinge schönzureden. So hat Jesus einmal gesagt: „Die Wahrheit wird euch frei machen.“ (Joh. 8,32) Und die Wahrheit lautet in diesem Fall: Sollte sich nicht ganz schnell sehr viel auf globaler Ebene ändern, ist der Klimawandel nicht mehr aufzuhalten. Es geht höchst-wahrscheinlich nicht mehr darum, den Klimawandel zu verhindern, sondern nur noch darum, ihn zu verlangsamen und seine schädlichen Auswirkungen abzumildern, also auf Brände, Überschwemmungen und Geflüchtete vorbereitet zu sein und die Sozialsysteme und die Demokratie zu stärken.

2. Zum Zweiten hilft uns der Glaube, indem er uns das große Ganze sehen lässt. In der Schöpfungsgeschichte am Anfang der Bibel im 1. Buch Mose wird von der Entstehung der Welt erzählt. Gott erschafft die Welt. Die Erde ist zunächst wüst und leer, und dann vollbringt Gott jeden Tag ein neues Schöpfungswerk. Am Ende wir der Mensch erschaffen. Er ist allerdingst nicht die Krone der Schöpfung, so wie irrtümlicherweise von manchen angenommen wird. Die  Schöpfung hat auch ohne den Menschen einen Eigenwert und der Mensch ist nicht das Maß aller Dinge, schließlich begutachtet Gott nach jedem Tag sein Werk und sieht, dass es gut ist, so wie es ist – und nicht erst nach der Erschaffung des Menschen.

Und weiter erfahren wir in der Schöpfungsgeschichte, dass wir Menschen dazu neigen, sinnvolle Regelungen, die unserem eigenen Wohl dienen, um des augenblicklichen Genusses willen zu ignorieren und dass wir uns gerne aus der Verantwortung stehlen. Gottes Regel (Gebot), nicht von der Frucht des Baumes aus der Mitte des Gartens zu essen, wird ignoriert. Adam und Eva werden wird als Folge dieser Übertretung aus dem Paradies ausgeschlossen.

Es ist bis heute die Gier von uns Menschen nach mehr Wohlstand, und zwar um jeden Preis, die zunehmend zum Problem wird. Hinzu kommt die stetig wachsende Bevölkerungszahl der Welt. Alle Menschen wollen möglichst viel und rasch konsumieren, ohne Rücksicht auf die Umwelt.

Angesichts dessen wäre es gewiss klug, wir würden die menschliche Gier gezielt als Strategie einsetzen, um den Klimawandel zu verlangsamen, indem wir als Gesellschaft die Frage beantworten: Was hat der Einzelne persönlich davon, wenn er sich klimaschonend verhält?

3.Zum Dritten hilft uns der Glaube, unsere eigene Verantwortung zu sehen. Hier kann uns die alte Geschichte von der Sintflut weiterhelfen, die so etwas wie einen Leitfaden für das Jahrhundert des Klimawandels bereithält: Die Erzählung beginnt mit der Feststellung der Bosheit der Menschen und der Ankündigung der Vernichtung allen Lebens. 

„Als aber der Herr sah, dass der Menschen Bosheit groß auf Erden war und alles Dichten und Trachten ihres Herzens nur böse war, da reute es ihn, dass er die Menschen gemacht hatte auf Erden, und es bekümmerte ihn in seinem Herzen. Und er sprach: Ich will die Menschen, die ich geschaffen habe, vertilgen von der Erde…“

Lediglich Noah findet Gnade vor Gott: In einem großen Holzkasten soll er von allen Tieren je ein Paar unterbringen, damit das Leben nicht ausstirbt. Anschließend steigt die Flut 150 Tage lang an, bis sogar die Berge bedeckt sind und alles Leben verendet. Als das Wasser fällt, setzt die Arche auf dem Berg Ararat auf, und nach längerer Wartezeit ist es schließlich soweit, dass Noah mit seiner Familie und den Tieren die Arche verlassen kann. Nachdem Noah Gott ein Opfer dargebracht hat, verspricht sich Gott sozusagen selbst, er werde die Erde hinfort nicht mehr verfluchen um der Menschen willen. Gott findet sich gewissermaßen mit der Bosheit der Menschen ab und weigert sich, die restliche Schöpfung noch einmal für dessen „Dichten und Trachten“ zu bestrafen.

Für das 21. Jahrhundert bietet diese Erzählung einige nützliche Gedanken:  Wir lernen zunächst, dass der Klimawandel bzw. die Vernichtung, die damit einhergeht, keine Strafe Gottes ist. Niemand als der Mensch alleine ist dafür verantwortlich. Wir brauchen gar keine zweite Sintflut als göttliche Strafe, wir lassen das Wasser dieses Mal selbst steigen und machen uns selbst den Garaus. Und dann können wir dieser Geschichte noch eine zweite Lektion entnehmen: Bei einer globalen Katastrophe kommt alles auf die Vorbereitung an! Das ist weniger ein Trost als vielmehr ein gewaltiger Ansporn, endlich aktiv zu werden. Denn: Wir stehen selbst in der Verantwortung.

Was nehmen wir also mit? Sehr wahrscheinlich wird sich das Klima in den nächsten Jahrzehnten erwärmen, werden Hitzewellen und Überschwemmungen zunehmen und immer mehr Menschen versuchen, zu uns nach Europa zu kommen. Das wird keiner verhindern können. 

Wenn das Klima gegen Ende des 21. Jahrhunderts gekippt sein sollte, werden die gemäßigten und höher gelegenen Regionen sicherlich weiterhin bewohnbar sein, zumindest für die Wohlhabenden…

Als Christinnen und Christen erkennen wir, dass wir als Menschen für die Schöpfung verantwortlich sind und uns nicht davor drücken dürfen. Wir dürfen keine Zeit vergeuden.

Aber uns ist auch bewusst, dass diese Welt ein Ende haben wird. Und bei allem, was uns angesichts der Zukunft Wut und Angst macht, glauben und hoffen wir, dass Gott seiner Schöpfung gnädig sein wird, selbst über den Tod hinaus. Wir dürfen darauf hoffen, dass Gott das Heil, das er für seine Schöpfung vorgesehen hat, zum Ziel bringen wird. Amen
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