Sexagesimä 2023 – Jes. 55, 8-12
Evangelium: Lukas 8, 4.15, Lieder: 136 (Freitöne) , 198, 82 (Freitöne), 209, 171
Evangelium: Lukas 8, 4.15, Lieder: 136 (Freitöne) , 198, 82 (Freitöne), 209, 171
„Denn meine Gedanken sind nicht eure Gedanken, und eure Wege sind nicht meine Wege, spricht der HERR, sondern so viel der Himmel höher ist als die Erde, so sind auch meine Wege höher als eure Wege und meine Gedanken als eure Gedanken. Denn gleichwie der Regen und Schnee vom Himmel fällt und nicht wieder dahin zurückkehrt, sondern feuchtet die Erde und macht sie fruchtbar und lässt wachsen, dass sie gibt Samen zu säen und Brot zu essen, so soll das Wort, das aus meinem Munde geht, auch sein: Es wird nicht wieder leer zu mir zurückkommen, sondern wird tun, was mir gefällt, und ihm wird gelingen, wozu ich es sende. Denn ihr sollt in Freuden ausziehen und im Frieden geleitet werden“. (Jes.55,8-12)
Liebe Gemeinde!
Sprachforscher haben herausgefunden, dass wir Menschen im Durchschnitt etwa 16.000 Wörter am Tag sprechen. Natürlich gibt es Unterschiede zwischen den einzelnen Menschen, manchmal auch zwischen den Geschlechtern. Frauen, so wird behauptet, reden viel mehr als Männer.
Ein Kind, so die Forscher weiter, hört bis zu seinem 4. Geburtstag von seinen Eltern etwa 30 Millionen Wörter. Auf diese Art haben wir alle die Sprache gelernt.
Oft sind Worte nur Schall und Rauch, mehr Geräusch als Gehalt. Sie gehen durch das eine Ohr herein und durch das andere wieder heraus. Allerdings sollten wir die Macht von Worten nicht unterschätzen. Worte können trösten, heilen und ermutigen: „Wir sind immer für dich da“, oder „ich bin sicher, du schaffst das“, „ich habe dich lieb.“ Umgekehrt können Worte peinigen, verletzen und vernichten: „Aus dir wird nie etwas“, oder „du bist ein Versager“, oder ganz schlimm: „Du bist tot“.
Heute soll es weniger um Menschenworte gehen als um das Wort Gottes. Dieser 2. Sonntag vor der Passionszeit steht schon von seinen Traditionen her ganz im Zeichen dieses Wortes. Die Epistel aus dem Hebräerbrief nennt Gottes Wort lebendig und kräftig und schärfer als jedes zweischneidige Schwert. Und im Evangelium – wir haben es gehört - wird das Wort Gottes mit gutem Samen verglichen, der unter die Menschen gestreut wird.
In der Tat: Gottes Wort kann viel bewirken und verändern, vielfältige Frucht bringen, so viel, sagt Jesaja, wie sich verändert, wenn Regen auf dürren, ausgetrockneten Boden fällt.
Der Prophet Jesaja lebte und wirkte zu der Zeit, als große Teile aus der Bevölkerung in die babylonische Gefangenschaft verschleppt wurden. Schon gut zwei Generationen lang hatten die Menschen in der Gefangenschaft ausharren müssen. Die Hoffnung auf eine baldige Heimkehr in ihr Heimatland hatte sich längst zerschlagen. Viele hatten bereits aufgegeben und ihren Glauben an Gott verloren.
Auch wir tun uns mitunter schwer mit dem Glauben, vor allem dann, wenn wir etwas Schweres erleiden müssen, einen Verlust in der Familie, eine schwere Erkrankung, eine Enttäuschung… dann hadern wir mit Gott uns fragen: Wieso muss ich das alles erleiden, warum lässt Gott das zu?
In Trauergesprächen sitzen mir manchmal Menschen gegenüber, die angesichts des plötzlichen Todes völlig aus der Bahn gerissen sind. Manchmal entschuldigen sie sich bei mir, indem sie sagen: „Ich weiß gar nicht, was mit mir los ist. Ich kenne mich selbst nicht wieder.“
So ist es, wenn das Leben uns aus der Kurve schmeißt. Wir sind verwirrt und stehen neben uns. In solchen Situationen brauchen wir ganz besonders Halt, Trost und die Nähe anderer Menschen, die zu uns stehen.
Wir brauchen aber auch noch einen anderen Trost. Wir brauchen die Nähe Gottes, um über das Erlebte hinwegzukommen, um dem Leben wieder vertrauen zu können.
„Meine Gedanken sind nicht eure Gedanken, sagt Gott, und eure Wege sind nicht meine Wege. Sondern so viel der Himmel höher ist als die Erde, so sind auch meine Wege höher als eure Wege und meine Gedanken als eure Gedanken.“
In trostlosen Zeiten ist es gut, diese Worte zu haben, sie zu hören und den Trost anzunehmen, den sie uns geben wollen. Es ist gut, gehalten zu werden, nicht allein zu sein mit dem Schmerz. Gott sagt: ich bin bei dir. Auch wenn das geschieht, was dir wehtut. Auch wenn du einen Verlust erleidest. Auch wenn dein Leben zu Bruch geht. Ich schenke dir Trost und Geborgenheit.
Aus der Geschichte Israels wissen wir, dass der Tag kam, an dem die Menschen wieder in ihre Heimat zurückkehren konnten und diese Worte des Propheten Jesaja wahr wurden. Nach den schlimmen, entbehrungsreichen Jahren, in denen sich die Menschen so sehr nach ihrer Heimat und einem normalen, freien Leben sehnten, folgte diese Zeit. Gottes Wort bewahrheitete sich: „Denn ihr sollt in Freuden ausziehen und im Frieden geleitet werden!“
Wenn ein kleines Kind hinfällt und dann in Tränen ausbricht, braucht es den Trost der Eltern. Sie nehmen ihr Kind in den Arm, um es zu trösten. So lernt das Kind: ich kann in dieser Welt hinfallen. Aber ich werde getröstet und traue mich wieder zu laufen. Ich bin nicht allein.
Im Grunde ist unser aller Leben so: Wir fallen hin, wir scheitern, wir erleben manchmal schreckliche Dinge. Dann brauchen wir den Trost und die Nähe anderer Menschen, die zu uns stehen. Wir brauchen den Trost Gottes, um der Welt, dem Leben und Gott wieder vertrauen zu können.
Das geschieht oft nicht sofort, sondern braucht seine Zeit, so wie es auch Zeit brauchte, bis das Volk Gottes wieder freikam aus der Gefangenschaft.
Überall dort, wo wir Gottes Wort hören, es aufnehmen und ihm glauben, verändert sich unser Leben, so sehr, dass wir es kaum erkennen, so wie man auch einen dürren, vertrockneten Boden nach dem Regen kaum wieder erkennt.
Ich habe eingangs von den menschlichen Worten gesprochen. Sie haben oft nur wenig Gehalt. Mit dem Wort Gottes aber ist es umgekehrt. Es ist tragfähig und von Dauer. Über die Jahrtausende spricht es bis heute zu uns, gibt uns Orientierung, tröstet und stärkt uns, „ist uns Speise, Freude, Friede, Licht und Wahrheit, Freiheit und alles Gute im Überschwang“ (Martin Luther).
Damit ist nun wirklich alles gesagt. Amen.