4. Advent 2021 zu Lukas 1,26-38
„Der Engel Gabriel wurde von Gott gesandt nach Nazareth zu einer Jungfrau, die vertraut war einem Mann mit Namen Josef vom Hause David; und die Jungfrau hieß Maria. Und der Engel kam zu ihr hinein und sprach: Sei gegrüßt, du Begnadete! Der Herr ist mit dir! Sie aber erschrak über die Rede und dachte: Welch ein Gruß ist das? Und der Engel sprach zu ihr: Fürchte dich nicht, Maria! Du hast Gnade bei Gott gefunden. Siehe, du wirst schwanger werden und einen Sohn gebären, dem sollst du den Namen Jesus geben. Der wird groß sein und Sohn des Höchsten genannt werden; und Gott, der Herr wird ihm den Thron seines Vaters David geben, und er wird König sein über das Haus Jakob in Ewigkeit und sein Reich wird kein Ende haben. Da sprach Maria zu dem Engel: Wie soll das zugehen, da ich doch von keinem Mann weiß? Der Engel antwortete und sprach zu ihr: Der Heilige Geist wird über dich kommen, und die Kraft des Höchsten wird dich überschatten; darum wird auch das Heilige, das geboren wird, Gottes Sohn genannt werden. Und siehe, Elisabeth, deine Verwandte, ist auch schwanger mit einem Sohn, sie, von der man sagt, sie sei unfruchtbar. Denn bei Gott ist kein Ding unmöglich. Maria aber sprach: Siehe, ich bin des Herrn Magd; mir geschehe, wie du gesagt hast.“
Engel sind heute wieder in. Man spricht wieder über sie. Nicht nur zur Weihnachtszeit. Sie stehen für eine neue Sehnsucht nach Nähe, nach Schutz und Geborgenheit. Wenn wir von Engeln reden, sprechen wir in Bildern, die uns helfen unser Leben zu verstehen.
Das Wort Engel bedeutet Bote, Bote Gottes. So sind wir alle aufgefordert, Botinnen und Boten der Liebe Gottes zu sein.
Die Engel begegnen uns auf sehr unterschiedlichen Ebenen. Sie sind immer dabei, schützend, bergend, wegweisend, in der Liebe oder in der Trauer, in Träumen oder mitten im Alltag, sie sind immer da.
Ein Engelbild des Künstlers Andreas Felger halten Sie in der Hand. Sie können es nachher mit nach Hause nehmen. Umschrieben ist es mit den Worten: „Engel des Aufbruchs“
Großflächiges Rot füllt das Bild. Große Flügel rechts und links der Bildseiten. Sie rahmen eine schmale rote Gestalt in ihrer Mitte ein, deren Kopf von einem weißleuchtenden Schein umgeben ist. Ein Engel. Er ist unterwegs. Aus einem dunkleren, rot-violett geschatteten Bereich scheint er mit einem leichten Schritt eingetreten zu sein. Und wo er eintritt, erfüllt Helligkeit den Raum. Da tut sich eine Tür auf, breitet Licht sich aus, das auch in den übrigen Raum ausstrahlt. Er selbst ist in der Mitte, zwischen den Bereichen. Ein Engel an der Schwelle, im Übergang. Ein Engel im „Dazwischen“.
Und das sind sie, die Engel. Wesen zwischen Himmel und Erde. Leichte Brücken zwischen Gott und Mensch, Vermittler, Botschafter Gottes.
Ohne Botschaft kommt keiner. Ohne etwas zur Welt zu bringen. So sind sie wie Hebammen des Wortes Gottes. Sie bringen Gottes gutes Wort zur Welt. Gottes gute Nachricht.
Oft verkünden Engel Aufbrüche, Neuanfänge. Wir finden sie am Anfang und am Ende des Weges Jesu, bei seiner Geburt und bei seiner Auferstehung. Rund um die Geburten sind Engel häufig zu finden, wenn sie langersehnte Kinder, auf die die Hoffnung nach menschlichem Ermessen schon aufgegeben wurde, ankündigen, wie bei Sara oder Elisabeth. Und wenn sie unerwartete, überraschende Kinder ankündigen, wie in der Geschichte, die wir gerade gehört haben. Engel verkünden Neuanfänge. Längst aufgegebene und unerwartete. Mit ihrem Eintreten in ein ganz normales Leben verändern sie plötzlich den Raum um sich.
So bei Maria.
„Der Engel kam zu ihr hinein“, so heißt es im biblischen Text. Und sie wird ihn gewahr. Nicht als flackerndes Lichtphänomen oder blitzende Geistgestalt. Sondern über sein Wort, das er an sie richtet: „Sei gegrüßt, du Begnadete!“
Gottes Gruß an Maria lässt sie aufmerken, aufmerksam werden für das Kommende.
„Gott ist mit dir“ lautet die Zusage an sie und dann folgt das Wort gegen die aufkeimende Angst und das Erschrecken: „Fürchte dich nicht!“
Dieser Gruß fasziniert mich. Er umhüllt die junge, aufgeschreckte Frau in dieser außerordentlichen Begegnung wie mit einem Schutzmantel, der bestickt ist mit den Worten: „Gott ist mit dir! Fürchte dich nicht!“
In diesem Schutzmantel-Raum kann sich die Botschaft des Engels entfalten und das Unfassliche, was sich da in das ganz normale Leben dieser jungen Frau drängt, Gehör finden. Vielleicht noch kein Verstehen – wie sollte es auch. Aber so viel Offenheit und Aufnahme, dass Maria dann sagen kann: „Mir geschehe, wie du gesagt hast!“ Darin leuchtet wesenhaft auf, wie sie der Engel geheißen hatte: „Du Begnadete“.
Sich dieser Botschaft hingeben zu können, hat mit Gnade zu tun. Sie hatte erfahren können, dass sie angesprochen war, von Gott selbst, der ihr durch den Engel ihren neuen Weg zeigte und deutete. Und im Schutzraum dieser Worte des Grußes konnte sie hinhören und sich auf den Auf – und Umbruch in ihrem Leben einlassen.
Ich empfinde den Gruß des Engels als eine echte Engelsgabe. Wie viel würde sich in unserem Leben ändern, wenn wir uns, leise oder laut, diese guten Worte zurufen, zusprechen könnten: „Sei gegrüßt, Gott ist mit dir, fürchte dich nicht!“
Ich stelle mir vor, wie es wirkt: im Büro einem schwierigen Kollegen zugedacht, den schulgestressten, streitenden Kindern beim Mittagstisch, der müden Nachbarin, dem mürrischen Ruheständler, meiner eigenen Unzufriedenheit.
Ein Engelswort, das die Kraft hat, einen neuen Raum aufzuschließen, Licht hereinzulassen, zu verwandeln. Mich und die anderen. Vielleicht auch so, dass ich selbst wieder Gehör schenken kann, hinhören kann auf das Neue, das sich ereignet. „Sei gegrüßt, Gott ist mit dir, fürchte dich nicht!“ Dann wird der überschattete Raum wieder hell, eine Tür geht auf, Licht fällt herein. Und die Liebeskraft des Engels, die hier in seinem Rot zum Ausdruck kommt, strahlt hinein in meinen Alltag. Sie stärkt, macht das lebendig, was in der Form der großen roten Flügel hier auf dem Bild angedeutet ist: das Herz.
Ich wünsche uns, dass wir die Botschaften Gottes wahrnehmen können, die in unser Leben eintreten wollen und wir vernehmen können, dass gerade dort leise Engel über die Schwelle treten und uns grüßen und sagen: Gott ist bei dir. Fürchte dich nicht. Amen.