„Seht, welch eine Liebe hat uns der Vater erwiesen, dass wir Gottes Kinder heißen sollen – und wir sind es auch!“ (1. Johannes, 3,1)
Liebe Gemeinde!
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Vater, Mutter, Kinder…die Familie: An Weihnachten spielt sie eine besondere Rolle, anders als sonst im Jahr. Wenn es nur irgend geht, kommt die Familie zusammen. Manchmal werden keine Kosten und Mühen dafür gescheut. Ja, es drängt viele Menschen an Weihnachten, nach Hause zu kommen, mit der Familie zusammen zu sein. Kindheitserinnerungen spielen da nicht selten eine große Rolle. Wir kommen zurück zu unseren Wurzeln, wir erinnern uns an Orte, Gerüche, Farben, Gebäude, den Kindergarten, den ersten Schultag, an Menschen, Feste und an Weihnachtsfeiern.
Doch wie alles im Leben, hat auch dieses zwei Seiten: Wir würden Weihnachten überhöhen, wenn wir dächten, dass da immer nur eitel Harmonie herrschen würde unter uns. Nicht selten kann es nach kurzer Zeit des trauten Beisammenseins auch zu Konflikten kommen, die sich im Laufe des Jahres angesammelt, gestaut und nie zur Aussprache gekommen sind.
Söhne, Töchter, Familie – Eltern und Kinder –, was für ein unerschöpfliches Thema! Und das an Weihnachten, wo wir jedes Jahr neu unsere ganz eigenen Erfahrungen mit der Familienzusammen-führung machen können.
Ich weiß es natürlich nicht, aber: Gehören Sie zu denen, die froh sind, wenn die über die Feiertage versammelte Familie wieder ihrer Wege zieht, oder zu denen, die vielleicht gar nicht genug kriegen können von diesem engsten Kern unseres Sozialwesens?
Vielleicht geht es Ihnen dann auch manchmal wie mir: in den ruhigeren Zeiten, wenn man dasitzt und überlegt, wie denn so viele unterschiedliche Menschen dabei herauskommen konnten und es dennoch immer noch eine Familie bleibt. Was haben die Kinder von den Eltern übernommen – äußerlich, aber auch vom Wesenszug? Kann man durch die Tochter den Vater (wieder)erkennen oder in den Augen des Sohnes die Mutter?
Ich vermute, dies sind lebenslange Themen, im Positiven wie im Negativen.
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Und dann ist da dieses Bild von der (heiligen) Familie an Weihnachten. Gott wird Mensch, um uns nahe sein zu können. Mit einer Liebe und einer Verletzlichkeit, wie sie am besten ausgedrückt wird in dem kleinen Kind in der Krippe. Vater, Mutter, Kind – ein Urbild von Familie, fast ein Idyll. Nicht zuletzt deswegen gilt Weihnachten auch heute noch, auch unter denen, die mit der christlichen Botschaft nichts anfangen können, als das Familienfest schlechthin.
„Seht, welch eine Liebe hat uns der Vater erwiesen, dass wir Gottes Kinder heißen sollen – und wir sind es auch.“ So heißt es im 1. Johannesbrief.
Gott ist der Vater, wir sind die Kinder. Das ist ein Satz, der es in sich hat. Denn Gott als Vater- das ist nie ganz unproblematisch. Denn das Vaterbild ist nicht bei allen Menschen mit guten Erfahrungen verbunden. Es gibt ja nicht nur die guten Väter, die sich liebevoll um ihre Kinder kümmern, es gibt auch die schrecklichen Väter, brutal und ohne Liebe. Väter, vor denen man Angst hat.
Und dennoch haben wir keine andere Möglichkeit, als uns dieser verletzlichen und missverständlichen Sprache zu bedienen: Gott als Vater, wir als Kinder. Wäre die Gesellschaft damals, als diese Texte aufgeschrieben wurden, anders geordnet gewesen, hätte es auch heißen können: Gott als Mutter, wir als Kinder. Denn die Bibel weiß darum und hat viele Namen und Bilder für Gott, eben auch „die Mutter“.
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Dieses Bild zu Weihnachten ändert unser Bild von uns. Denn es wird deutlich: Wir sind nicht nur Kinder unserer biologischen Eltern, von denen wir vielleicht die schlechten Augen, aber auch einen guten Charakterzug geerbt oder gelernt haben. Wir sind noch mehr: Kinder dieses Gottes, der uns in Liebe begegnet. Das heißt nichts anderes, als dass wir auch von ihm etwas „geerbt“ haben. Etwas, das wir schon „besitzen“, etwas, das uns schon auszeichnet. Man könnte sagen: etwas, das uns den Weg weist. Es ist der Weg der Liebe zu unseren Nächsten.
An Weihnachten ist viel von dieser Liebe die Rede. Zu Recht. Die Liebe ist der größte Motor unseres Lebens. Ohne Liebe ist unser Leben nicht lebenswert. Gerade deshalb wird Weihnachten auch das Fest der Liebe genannt.
Es ist die Kombination von Familie und Liebe – als Urbild schlechthin, das Weihnachten immer noch so attraktiv macht.
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Weihnachten liegt in der dunkelsten Zeit des Jahres. Bewusst mit einem hellen Stern und mit vielen Lichtern. Bewusst mit einem immergrünen Baum. Bewusst mit Geschenken. Alle diese Bilder sollen uns sagen: „Denkt daran, wenn ihr durchs Leben geht! In dieser Liebe, die Gottes Liebe ist, liegt die Lösung!“
Es ist eine Zusage, die wir an Weihnachten bekommen: „Ihr seid Kinder Gottes!“ Ihr habt bereits einen Anteil an dieser neuen Wirklichkeit. Sie ist euch geschenkt von außerhalb. Nicht aus euch selbst. Sondern unverdient habt ihr sie bekommen wie ein Kind, das von den Eltern erbt, ohne vorher eine Leistung erbracht haben zu müssen.
Die Botschaft Gottes ist eine Zusage an uns. Eine Ermutigung, so wie die Eltern ihrem Kind zusprechen: Du schaffst das – du kannst das. Wir stehen hinter dir. Es kann dir nichts passieren. Unsere Liebe zu dir ist so groß, dass du alles schaffen wirst in deinem Leben, das Gute, aber auch das Schwierige und Steinige.
Seit der Geburt Jesu wissen wir: Wir sind mit Gottes Liebe beschenkt.
Mit einer Liebe, mit der wir auch die Widrigkeiten des Lebens überwinden können, die uns stärkt und Halt gibt, aber auch eine Liebe, die auf unsere Antwort wartet. Bleiben wir diese Antwort unseren Nächsten und der Welt nicht schuldig. Amen