Predigt im Gottesdienst zu Erntedank (1.10.), Pastor Seivert

Sun, 01 Oct 2023 06:42:52 +0000 von Horst Seivert

Erntedank 2023 zu Lukas 12, 13-21
 
Lieder: 508, 420, 324, 321, 170

"Es sprach aber einer aus dem Volk zu ihm: Meister, sage meinem Bruder, dass er mit mir das Erbe teile. Er aber sprach zu ihm: Mensch, wer hat mich zum Richter oder Schlichter über euch gesetzt? Und er sprach zu ihnen: Seht zu und hütet euch vor aller Habgier; denn niemand lebt davon, dass er viele Güter hat. Und er sagte ihnen ein Gleichnis und sprach: Es war ein reicher Mensch, dessen Land hatte gut getragen. Und er dachte bei sich selbst und sprach: Was soll ich tun? Ich habe nichts, wohin ich meine Früchte sammle. Und sprach: Das will ich tun: Ich will meine Scheunen abbrechen und größere bauen und will darin sammeln all mein Korn und meine Güter und will sagen zu meiner Seele: Liebe Seele, du hast einen großen Vorrat für viele Jahre; habe nun Ruhe, iss, trink und habe guten Mut! Aber Gott sprach zu ihm: Du Narr! Diese Nacht wird man deine Seele von dir fordern. Und wem wird dann gehören, was du bereitet hast? So geht es dem, der sich Schätze sammelt und ist nicht reich bei Gott. " (Luk. 12,13-21)
 
Liebe Gemeinde, 
 
als ich mich auf diesen Gottesdienst vorbereitet habe, dachte ich: „Früher war Erntedank einfacher …“. Der Altar wurde von vielen Menschen reich geschmückt, und selbstverständlich dankten wir für „alle guten Gaben“, wie es im Lied „Wir pflügen und wir streuen“ heißt. Es schien alles so selbstverständlich. Dabei gab es auch früher die andere Seite: Auch in der „guten alten Zeit“ hungerten Menschen, auch damals gab es genug Bedürftige.
Aber es fiel nicht so sehr auf. Heute dagegen feiern wir Erntedank in schwierigeren Zeiten. Die Ernten fallen weltweit ärmlicher aus als sonst: Klimawandel mit langen Dürreperioden und Krieg lassen das Getreide knapp werden. Viele Menschen erleben, dass es nicht selbstverständlich ist, dass sie ihre Speise zur rechten Zeit bekommen. Glaubte man vor einigen Jahren noch, den Hunger auf der Welt besiegen zu können, wächst die Zahl der Hungernden seit einiger Zeit wieder in erschreckendem Maße. Da liegt es nahe, „auf Nummer sicher zu gehen“, wie wir sagen, und Vorräte anzulegen.
 
Vorräte anzulegen und Vorsorge zu treffen ist zunächst einmal nicht schlecht. Es ist ganz normal. Viele tun das. Auch meine Mutter hat das jedes Jahr gemacht. Im Sommer und vor allem im Herbst hat sie eingekocht, eingeweckt, bis die Speisekammer und der Keller voll waren und der Winter getrost kommen konnte. Man war vorbereitet und musste nicht hungern.
 
Auch der reiche Kornbauer in der Bibelgeschichte tut ja nichts anders, er legt Vorräte an für später.
Ich kann seine Gedanken gut nachvollziehen. Gerade in schwierigen Zeiten ist es doch hilfreich, wenn die Speicher gefüllt sind mit Vorräten zum Leben.
 
Wo also ist der Fehler, was macht  der Kornbauer falsch? Oder macht er etwa alles richtig?
Es fällt auf, dass er immer nur von sich selbst spricht: ich mein, mir, mich – nie von den anderen. Alles dreht sich nur um ihn. Er führt Selbstgespräche: "Das will ich tun: ich will meiner Scheunen abbrechen und größere bauen und will darin sammeln Korn und meine Güter…"
 
Das ist sein Fehler: er vergisst, dass keiner von uns nur für sich selbst lebt. Wir sind Teil einer weltweiten Lebensgemeinschaft aus Menschen und Natur, in der alle aufeinander angewiesen und verbunden sind. Was wir hierzulande unseren Mitmenschen vorenthalten, wird früher oder später auch Konsequenzen für uns haben, das müssen wir uns klarmachen. 
 
„Liebe Seele, habe nun Ruhe, iss, trink und habe guten Mut!“
Der reiche Kornbauer ist zufrieden, er hat gut gewirtschaftet. „Du hast einen Vorrat für viele Jahre“, so lautet sein Fazit, das sich jedoch als Trugschluss entpuppt: Die vielen Jahre, für die er sammelt und plant, sind ihm gar nicht gegeben. Noch in der Nacht wird er alles verlieren – und dazu seine Seele.
Von einem Augenblick auf den anderen steht er vor dem Nichts.
 
Unserer Hände Arbeit ist wichtig, das ist wahr. Aber letztlich ist es Gottes Güte, von der wir leben. Von ihm kommen alle guten Gaben, wie wir zu Beginn gesungen haben. Die Frage ist: Wie gehe ich um mit dem, was mir Gottes Gnade zukommen lässt? Zeige ich Gott meinen Dank? 

Das interessiert Jesus – nicht die Menge an Gütern, die jemand hat.  Aber zugleich warnt er den Kornbauern, nicht nur immer größere Scheunen zu bauen, um immer mehr von der Gnade allein für sich zu behalten. Gnade ist zum Weitergeben, nicht zum Behalten und Bunkern. Und Teilen ist Dankbarkeit. Daran erfreut sich Gott.

„Du kannst nichts mitnehmen“, sagen wir häufig, wenn wir auf das Ende blicken, und meistens meinen wir dann: „Gönn’ dir etwas!“ Auch der Predigttext  sagt: „Du kannst nichts mitnehmen“; aber sein Schluss ist: „Gönn’ auch anderen etwas, das macht dich reich!“
 
Angesichts all der Unsicherheiten im Leben ist es verführerisch, irdischen Besitz zu sichern und zu vermehren.
Aber Besitz schafft keine endgültige Sicherheit. Wir glauben manchmal, die Erfüllung unseres Lebens hinge davon ab, und am Ende sind unsere Hände leer.
 
Die Geschichte vom reichen Kornbauern wird uns erzählt, damit wir sie als Chance betrachten, unser Leben neu auszurichten. Es kommt nicht allein darauf an, auf übervollen Scheunen und Bankkonten zu sitzen. Und wer jetzt sagt: „Geld macht nicht glücklich, aber es beruhigt“, der möge bedenken: Es nützt auch nicht viel, wenn man ruhig ist, aber nicht glücklich. Wer selbstbezogen und unbescheiden lebt, verlernt, sich im Bescheidenen zu freuen. Von Francis Bacon, einem mittelalterlichen Gelehrten, stammt folgender Satz: „Nicht die Glücklichen sind dankbar. Es sind die Dankbaren, die glücklich sind.“ Gott möchte unser Glück. Er gibt uns reichlich, damit wir geben können. Dafür dürfen wir heute danken.  Amen
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