Predigt im Gottesdienst am Volkstrauertag (17.11.24), Pastor Horst Seivert

Sun, 17 Nov 2024 08:03:37 +0000 von Horst Seivert

"Jeremia, du sollst zu ihnen sagen:
»So spricht der Herr: Wenn jemand fällt, steht er wieder auf – oder nicht?
Wenn jemand sich verirrt, kehrt er wieder um – oder nicht?
Warum verirrt sich dieses Volk von Jerusalem und bleibt hartnäckig auf seinen Abwegen?
Sie halten an ihrem Irrtum fest und weigern sich umzukehren.«
Ich habe es gemerkt und gehört: Sie sagen nicht die Wahrheit.
Keiner bereut seine Bosheit. Keiner fragt sich: »Was habe ich getan?«
Nein, sie haben sich abgewandt. Sie laufen weiter ihre eigenen Wege –
wie ein Pferd, das in die Schlacht stürmt. Sogar der Storch am Himmel weiß es besser:
Er kennt seine Zeit. Auch Taube, Mauersegler und Schwalbe kommen aus dem Süden zurück,
wenn es Zeit ist. Doch mein Volk weiß nicht, was gilt, es kennt das Recht des Herrn nicht." (Jeremia 8,4-7)


Liebe Gemeinde!

Der große Krieg, „Grande Guerre“, Great War“. So heißt der 1. Weltkrieg in England und Frankreich. Bis heute. So viele Länder waren bis dahin noch nie beteiligt am Hassen und Morden. Und nie zuvor starben so viele.

Dieser Krieg, dieser sogenannte Große oder der sogenannte 1. Weltkrieg, sie hatten ihn ersehnt. Viele. Auch Intellektuelle und Schriftsteller. Thomas Mann z.B. schrieb: „Wie hätte man nicht Gott loben sollen für den Zusammenbruch einer Friedenswelt, die viele so überaus satthatten? Krieg! Es war Reinigung, Befreiung…“

Was für Töne! Eine Friedenswelt, die die Menschen satthatten und Krieg als Befreiung ersehnten! Unglaublich, aber wahr!

Und auch die Kirche pries den Krieg an. Pries Gott für den Krieg. Prediger fanden blumige Worte dafür.

Doch dann, als der Krieg immer brutaler wurde und immer mehr Tote zu beklagen waren, wich die Begeisterung. Die Nachrichten über Schlimmes häuften sich. Von denen, die nie wieder zurückkehren sollten. Der deutsche Kaiser Wilhelm II sagte im Sommer 1914 zu den Soldaten: „Ihr werdet wieder zu Hause sein, ehe noch das Laub von den Bäumen fällt.“ Was für ein Irrtum!

Der Krieg dauerte über das Laub hinaus und über den Schnee, über Weihnachten. Ins nächste und wiederum nächste und nächste Jahr hinein… Nun war keine Begeisterung mehr, nur noch Angst, Schmerz und Trauer. 

„So spricht der Herr: Wenn jemand fällt, steht er wieder auf – oder nicht? Wenn jemand sich verirrt, kehrt er wieder um – oder nicht?   Worte des Propheten in unserer Zeit. Ja, viele hatten sich damals verirrt, damals zu Jermias Zeiten und später auch, bis heute.

Dann, endlich war dieser große Krieg nach vier Jahren zu Ende,  mit dem Friedensabkommen, das in einem Eisenbahnwaggon im Norden Frankreichs geschlossen wurde.

Aber es gab noch einen großen Krieg. Diejenigen, die im 1. Weltkrieg kleine Jungs waren, sind nun im 2. Weltkrieg Soldaten. Und fallen. Und gehen wieder irre. Schon wieder. Ja, hatte man denn gar nichts aus dem schrecklichen 1. Weltkrieg gelernt? Offenbar nicht.

Hören wir wieder auf Jeremia: "Warum verirrt sich dieses Volk von Jerusalem und bleibt hartnäckig auf seinen Abwegen? Sie laufen weiter ihre eigenen Wege – wie ein Pferd, das in die Schlacht stürmt."
Wie sehr traf das zu! Schon wieder!

Und nun einen Sprung in die heutige Zeit. 2024.

Heute sind Kriege aber immer noch da, und zwar nicht weit weg von uns, sondern fast in unserer Nachbarschaft und etwas weiter weg.  Und damit ist wieder all das Elend, die Zerstörung, der Hass da. Das unglaubliche Leiden der Menschen, ja der ganzen Schöpfung.  Und es wird wieder aufgerüstet. Das Misstrauen nimmt zu. Zwischen  Mensch und Mensch, zwischen Völkern und Nationen. Und die Sorgen nehmen zu. Was wird daraus werden, wann kehrt endlich wieder Frieden ein?

Und wir erinnern daran, gerade an diesem Volkstrauertag wieder. Das tun wir schon lange. Wir erinnern daran, damit sich das Elend, welches die beiden großen Kriege gebracht haben, sich nicht wiederholt.  An den Ehrenmälern überall, auch hier bei uns draußen vor der Kirchentür lesen wir die Namen derer, die aus unserem Ort in den beiden Kriegen gefallen, also gestorben sind…Wir legen einen Kranz nieder, halten inne, beten. Möge so was nie wieder geschehen!

Der Storch weiß seine Zeit, Turteltaube, Kranich und Schwalbe halten die Zeit ein, in der sie wiederkommen sollen. Aber nicht mein Volk… warum will es irregehen für und für? “, beklagt Jeremia. Seine Worte wollen und sollen uns aufrütteln.

Es ist Herbst, die Zugvögel sind zum großen Teil schon weggeflogen. Sie folgen einer inneren Uhr, sie wissen, was sie tun, sie kennen ihre Zeiten, auch wann sie umkehren werden,  Und wir Menschen? Kennen wir unsere Zeiten? Wohin gehen wir? Kennen wir den Weg des Friedens, der Versöhnung und der Umkehr und wollen wir diesen Weg gehen?

Und Gott? Wo bleibt er bei all dem Suchen und Finden?   „Krieg soll um Gottes Willen nicht mehr sein“! So hatte man es sich damals nach dem 2. Weltkrieg vorgenommen und auf die Fahne geschrieben.

Krieg gefällt Gott nicht. Auch nicht Hass und Gewalt.  Wo das dennoch geschieht, ist das nicht in seinem Sinne und er will auch nicht, dass wir Menschen Kriege mit und in seinem Namen rechtfertigen. So wie das oft geschehen ist und immer noch geschieht.

Gott weiß, dass in uns drin, in unseren Herzen und Seelen mehr ist als all das. Mehr ist als Unversöhnlichkeit und Hass.  Mehr als das Böse. Er selbst hat dieses mehr ja hineingelegt in uns. Die Sehnsucht nach Frieden. Das Wissen um die Wahrheit, Nächstenliebe, die Liebe zum Leben. Das Gute.  Gott will, dass wir umkehren. Er sieht uns, ja er sehnt sich nach uns, er sehnt sich nach Liebe und Frieden zwischen uns. Denn dafür sind wir gemacht, dafür hat er uns geschaffen. Für Frieden, dafür, dass wir den Kreislauf von Gewalt und Hass durchbrechen. Dazu helfe er uns.   Amen
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