Predigt im Gottesdienst am Karfreitag, Pastor Horst Seivert

Fri, 18 Apr 2025 10:53:43 +0000 von Horst Seivert

Predigt am Karfreitag zu Lukas 23,  32-49

Liebe Gemeinde!

Heute schauen wir mit der ganzen Christenheit auf das Kreuz, an dem Jesus schmachvoll starb. Das Kreuz begegnet uns überall und doch wollen wir es irgendwie ausschalten, das Kreuz des Karfreitags. Immer wieder gab und gibt es Versuche, die streng gesetzliche Regelung des Karfreitags mit Tanzverbot und anderen Vergnügungen auszuhebeln. Viele wollen dieses Zeichen des Todes einfach nicht wahrhaben. Das Kreuz auf Golgatha, das Kreuz, an dem Jesus sein Leben verlor, man würde es gerne wegradieren, verdrängen, zudecken.

Und doch ist es da, ganz unterschiedlich. Manche tragen es als Schmuckstück am Hals, wir sehen es in Kirchen, auf Friedhöfen, Wohnungen, auf Berggipfeln oder an Straßenrändern. Hier wirkt es am stärksten mahnend und veranlasst mich stets zu einem, wenn auch ganz kurzen Innehalten im Gedenken an die, die dort ihr Leben verloren haben, im Nachdenken darüber, dass zu unserem Leben auch das Leid und der Tod gehören.

Das Kreuz gehört zu unserem Leben.  Und in all den Kreuzen der Welt erkenne ich immer wieder das Kreuz Christi, sein Leiden auf Golgatha. Es ist für mich Mahnung und Herausforderung zugleich. Ein Zeichen tiefer Solidarität mit all denen, die nah oder fern, ihr ganz persönliches Leid tragen.

Und dann sagt dieser leidende und sterbende Christus am Kreuz letzte Worte, die es in sich haben.

Wir kennen auch letzte Worte: Worte, die wir beim Abschied zueinander sagen oder Worte, die Sterbende an ihre Angehörigen richten, gewissermaßen als Vermächtnis hinterlassen. Meist geht es bei solchen Worten darum, dass die Familie zusammenhalten, in Frieden leben und nicht streiten soll.

Jesu letzte Worte sind außergewöhnlich: „Vater, vergib ihnen; denn sie wissen nicht, was sie tun.“ Das ist an menschlicher Größe kaum noch zu überbieten. Der Evangelist Lukas ist der einzige der vier Evangelisten, der das erzählt. Ihm ist es wichtig zu zeigen, dass sich Jesus auch in diesem fürchterlichen Moment nicht gehen lässt, nicht auf Rache sinnt, sondern für seine Übeltäter um Vergebung bittet. Der, den der Hass, die Ohnmacht und die Angst der Menschen ans Kreuz gebracht haben, sagt das Unerhörte. Nicht Rache und Hass haben das letzte Wort, sondern die Liebe.

Vor einiger Zeit habe ich einen bemerkenswerten Spielfilm zu diesem Thema gesehen. Er heißt „Wie auch wir vergeben“. Der Film basiert auf einer wahren Begebenheit. Ein bewaffneter Mann betritt eine kleine Schule der Amish in den USA. Er erschießt fünf Mädchen und danach sich selbst. Der Amoklauf erschüttert ganz Amerika. Doch erschüttert sind viele auch von der Reaktion der Amish: Sie vergeben dem Täter und kümmern sich um seine Witwe und ihre drei Kinder. Dieser bewegende Film zeigt anhand des inneren Kampfes einer trauernden Mutter, wie schwer, aber auch wie befreiend Vergebung sein kann.

Karfreitag ist darum der Tag, an dem zerstörte Brücken von neuem aufgebaut werden können.  Die Vergebung ist der Weg, die zerstörten Brücken und Beziehungen dieser Welt und auch in unserem eigenen Leben wieder aufzubauen. Denn wir stehen mittendrin in dieser Leidensgeschichte. Wir können uns ihr nicht entziehen. Überall, wo Menschen nicht bereit sind, sich zu versöhnen, wo Hass und Gewalt herrschen, wird Christus auch heute wieder gekreuzigt.

Wir bedürfen immer wieder und immer neu der Vergebung. Weil wir nicht besser sind als andere, weil auch in uns die Fähigkeit zur Gewalt ist, darum bedürfen wir der Vergebung durch Gott immer wieder. Die Vergebung ist der Weg der Liebe und dieser Weg ist auch unsere Möglichkeit.

Und dann sind da die anderen letzten Worte, die sich an einen der Mit - Gekreuzigten richten: „Wahrlich, ich sage dir: Heute wirst du mit mir im Paradies sein.“  Selbst im Sterben, in seinen größten Schmerzen, hat dieser Jesus noch den Mitmenschen im Blick. Ihm eröffnet er die Perspektive auf das Leben, das ihn nach dem Tod erwartet.  Wie groß, wie selbstlos diese Liebe ist! Jesus nimmt den schuldig Gewordenen geradezu hinein in seine Verheißung.

Schließlich, am Ende steht der Glaube, ja der unerschütterliche Glaube über alle Kreuze dieser Welt: „Vater, in deine Hände befehle ich meinen Geist.“ Nachdem er stets für andere da war, wendet er sich nun selbst dem Vater zu: Er tut es ganz schlicht mit einem Satz aus dem 31. Psalm: In deine Hände befehle ich meinen Geist.“

Auf den ersten Blick ist Jesus auf Golgatha gescheitert, schlicht dem jämmerlichen Sterben ausgeliefert. Aber er weiß, und Lukas macht es deutlich: „Du kannst nicht tiefer fallen als in Gottes Hand, die er zum Heil uns allen  barmherzig ausspannt.“ (EG 533) Unsere Zeit steht in Gottes Händen. Wir sind keinem unerbittlichen Schicksal oder blindwütigen Zufall ausgeliefert, sondern wir sind im Letzten geborgen in Gottes Hand.

Ganz zuletzt berichtet der Evangelist Lukas, dass  ausgerechnet der heidnische Hauptmann noch einen Satz sagt: „Fürwahr, dieser ist ein frommer Mensch gewesen.“  Dieser Mann begreift: Hier ist etwas geschehen, was weitergehen wird. Hier war auf irgendeine, noch verborgene Weise Gott am Werk.

„Und als alles Volk, das dabei war und zuschaute, was da geschah, schlugen sie sich an ihre Brust und kehrten wieder um.“

Auch wir kehren wieder um und gehen nach Hause. Wir wissen, dass in drei Tagen Ostern ist, das Fest der Auferstehung. Gottes Geschichte mit uns ist nicht zu Ende. Sie geht weiter und Gott ist bei uns. Amen
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