Predigt im Gottesdienst am 4.8.24, Pastor Horst Seivert

Sun, 04 Aug 2024 07:06:58 +0000 von Horst Seivert

Predigt zu Psalm 119 i.A. : "Ich bin ein Gast auf Erden"

Es ist Sommer, gleichzeitig sind die langen Ferien zu Ende. Morgen beginnt ein neues Schuljahr. Viele Menschen haben die Sommerferien genutzt, indem sie in den Urlaub gefahren oder geflogen sind. 

Die Urlaubszeit ist eine besondere Zeit. Wenn ich in den Urlaub fahre, erlebe ich immer wieder etwas Merkwürdiges: Das Zeitgefühl ist anders als sonst. Die ersten Stunden und Tage an einem fremden Ort vergehen ein bisschen wie in Zeitlupe. Es ist alles neu und anders, interessant und aufregend. In der Stadt, in der Gegend, wo ich zu Gast bin,  muss viel entdeckt und erkundet werden. Die Tage brauchen einen Rhythmus. Man muss herausfinden, wo man gut einkaufen, lecker essen, schön spazieren gehen kann. Sobald das alles geschehen ist, kommen die schönsten Urlaubstage. Ich bin irgendwo zu Gast, fühle mich aber schon ein bisschen Zuhause und meistens sehr wohl. Die Tage sind ausgefüllt und entspannt zugleich. Das ist ungefähr die Mitte der Urlaubszeit. Und beim letzten Drittel, da fliegen die Tage nur so dahin.  Die Zeit vergeht ganz schnell und ich ahne: Bald heißt es Abschied nehmen. Bald heißt es wieder nach Hause fahren. Meistens bin ich dann ein wenig traurig, aber ich freue mich eigentlich auch immer wieder auf Zuhause. Viele Menschen erleben das ähnlich. Und das in Urlaub fahren erinnert mich an unser Leben.

Die ersten Jahre, in denen wir langsam anfangen, die Welt kennenzulernen und die Menschen, diese Jahre vergehen langsam. Zwischen den Sommerferien und Weihnachten, so erinnere ich mich, lag eine ganz, ganz lange Zeit. Die Tage waren aufregend, manchmal spielerisch leicht, manchmal traurig und mühsam – aber immer voller Erlebnisse und Entdeckungen.

Wenn wir erwachsen werden, wenn wir uns zurechtgefunden und unseren Platz in der Welt eingenommen haben, dann vergeht die Zeit schon viel schneller: die Tage und die Jahreszeiten, die Geburtstage, Weihnachten und Ostern und Erntedank folgen immer schneller aufeinander.

Manchmal ist das Leben wunderschön und manchmal schrecklich, aber nie lässt sich ein Tag, eine Stunde festhalten. Es geht weiter, die Zeit verrinnt und irgendwann kommt die Ahnung: Es geht auf ein Ende zu.

So wenig wie im Urlaub ist unser Leben auf dieser Erde endlos, grenzenlos. Irgendwann heiß es Abschied nehmen – für alle Menschen. Man möchte noch so gerne bleiben. Es tut weh, es ist bitter, gehen zu müssen. Doch manche Menschen sind dazu auch bereit, besonders nach einem sehr langen Leben, oder am Ende einer schweren Krankheit…

Ich habe über den Satz aus Psalm 119 nachgedacht, wo es heißt: „Ich bin ein Gast auf Erden“. Ein kurzer Satz nur, wenige Worte. Ich bin ein Gast auf Erden. Das ist gar nicht so einfach zu begreifen. Im Urlaub, ja, da weiß ich das. Da erlebe ich eine, zwei oder drei schöne Wochen, und dann muss ich weggehen, Abschied nehmen. Doch mein Leben hier auf dieser Erde – auch nur ein Gastspiel, eine Durchreise? Ganz oft will ich das nicht wahrhaben, ganz oft denke ich nicht an das Ende, an die Grenzen meines Lebens.

Ich bin ein Gast auf Erden. Das macht mich nachdenklich,  nicht nur was das Sterben, sondern auch was das Leben angeht. Das Leben ist kostbar, jeder Tag eigentlich so kostbar wie die angeblich schönste Zeit im Jahr, der Urlaub. Merken wir das noch? Wie oft leben wir so dahin? Im Urlaub, ja, da machen wir die Augen auf. Da entdecken wir die Schönheit der Natur, den Geschmack des Essens, die interessanten Gesichter der fremden Menschen. Wir halten Herz und Sinne offen für all das, was uns begegnet. Wenn wir doch öfter so leben könnten wie im Urlaub!

Ich bin ein Gast auf Erden. Wer weiß das schon noch? Wie oft denken wir: Meines! Mein Besitz, mein Eigentum, meine Kinder, meine Wohnung, meine Stadt, mein Land, meine Welt… Ich kann damit machen, was ich will!

Doch das stimmt nicht. All das ist ein großes, kostbares Geschenk, und wir sollten dringend wieder lernen, vorsichtig und liebevoll damit umzugehen, so wie es gute   und gerngesehene Gäste tun. Sorgfältig und liebevoll mit den Menschen umzugehen, die zu uns gehören, mit der Erde, die uns anvertraut ist und auch mit unserem eigenen Leben, das erwartet Gott von uns, der uns all das für die Zeit unseres Lebens zum Geschenk macht, der unser Gastgeber ist

Ich bin ein Gast auf Erden. Das macht das Leben schön und kostbar.

Wohin aber gehen wir, wenn wir uns verabschieden, wenn wir sterben müssen? Die Worte des Psalms geben uns darauf indirekt eine Antwort. Diese Antwort tröstet mich, wenn mir der Abschied Angst macht. So, wie ich als Gast, wenn ich nicht mehr bleiben kann, nach Hause fahre, sagt er, so ist das auch, wenn ich von dieser Erde muss. Wenn ich sterbe, dann geht es nach Hause. Das heißt: Noch niemand von uns ist wirklich zu Hause. Auch wenn wir uns hoffentlich wohl und heimisch fühlen: Es gibt eine andere Heimat, die wir noch gar nicht kennen. Heimat, das ist ein Ort der Sehnsucht, der Hoffnung, der Zukunft. Wir sind in diesem Leben nicht nur auf der flüchtigen Durchreise. Wir dürfen uns wie zu Hause fühlen. Doch unsere Heimat, die liegt bei Gott. Da sind wir ganz und gar zu Hause. Dort bleiben wir geborgen in Zeit und Ewigkeit. Amen
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