Silvester 2021 – Mt. 13,24-30
„Jesus sprach: Das Himmelreich gleicht einem Menschen, der guten Samen auf seinen Acker säte. Aber als die Leute schliefen, kam sein Feind und säte Unkraut zwischen den Weizen und ging davon. Als nun die Halme wuchsen und Frucht brachten, da fand sich auch das Unkraut. Da traten die Knechte des Hausherrn hinzu und sprachen zu ihm: Herr, hast du nicht guten Samen auf deinen Acker gesät? Woher hat er denn das Unkraut? Er sprach zu ihnen. Das hat ein Feind getan. Da sprachen die Knechte: Willst du also, dass wir hingehen und es ausjäten? Er sprach: Nein, auf dass ihr nicht zugleich den Weizen mit ausrauft, wenn ihr das Unkraut ausjätet. Lasst beides miteinander wachsen bis zur Ernte…“
Liebe Gemeinde!
Wir schauen zurück auf das vergangene Jahr und hören dazu Jesu Gleichnis vom Unkraut unter dem Weizen:
„Das Himmelreich gleicht einem Menschen, der guten Samen auf den Acker sät.“
So beginnt das Gleichnis. Und wir denken als erstes an das Gute. Es ist in dem vergangenen Jahr, trotz allem, was geschehen und gewesen ist, auch viel Gutes geworden und herangereift. Wir sind versorgt. Wir haben zu essen und zu trinken. Es ist uns trotz allem gut ergangen. Wir konnten uns beruhigt schlafen legen, wie die Menschen in der Geschichte.
Und dieses Schlafenlegen ist ein ganz wichtiges Bild. Es ist ein Zeichen dafür, dass ich mich aus der Hand geben kann. Wer schläft, ist nicht aktiv, sondern er empfängt. „Den Seinen gibt´s der Herr im Schlaf“, heißt es ja auch. Wer schläft, vertraut, dass das Leben ohne einen selbst vorangeht, weil da jemand ist, der es weiterführt. Das Schlafen ist ein Hinweis von Gottvertrauen, wie bei den Jüngern, die im Sturm auf dem See sind und Jesus hinten im Boot schläft. Lasst die Stürme des Lebens ruhig toben, ich weiß mich geborgen in Gott, so erzählt er uns damit und zeigt den Jüngern, was es heißt, zu vertrauen.
„Das Himmelreich gleicht einem Menschen, der guten Samen auf seinen Acker säte.“
Auf dem Acker finden sich aber neben den guten Samen, auch diejenigen, die wir als Unkraut bezeichnen. Jeder von uns, der einen Garten besitzt, weiß auch um das Unkraut und wie lästig es ist. Und nicht immer auf den ersten Blick als Unkraut zu erkennen. Ich selbst, der ich kein Gärtner bin, habe schon so manches Blümlein ausgerissen, in der festen Überzeugung, es sei doch nur Unkraut. Wie sehr habe ich mich da geirrt!
Jesus sagt zu seinen Knechten, die das Unkraut, so wie ich ausreißen wollten, lasst es stehen. Lasst beides, bis zur Ernte miteinander wachsen.
Man weiß nicht, was man da alles ausreißt. Wer zu schnell ist, wird auch viel Gutes mit ausreißen.
Und dann stellt sich die Frage, was sehen wir als Unkraut an? Was möchten wir so schnell wie möglich aus unserem Leben entfernen, weil es stört? Als erstes fällt mir da ein: Na, Corona natürlich. Es ist am naheliegendsten. Es soll doch endlich damit Schluss ein. Damit wir wieder normal leben können. Doch im Augenblick sieht es nicht danach aus, sosehr wir uns nach einem Ende auch sehnen.
Oder Krankheiten, Konflikte am Arbeitsplatz, Probleme in der Schule, in der Beziehung, Krieg und Ungerechtigkeit in der Welt, Armut, Naturkatastrophen, usw. Das alles möchten wir ausreißen, es soll nicht mehr sein.
Das Gleichnis sagt: Was auch immer, wir als Unkraut ansehen, lasst es erst mal wachsen. Eine Krankheit kann mir auch etwas erzählen, ein Hinweis für etwas sein. Ist eine Krankheit nur eine körperliche Angelegenheit, oder steckt vielleicht was ganz anderes dahinter? Ist sie vielleicht ein Hinweis auf eine Lebensveränderung, die dringend ansteht? Nimm die Zeit, dein Körper ist an der Grenze. Verändere etwas in deinem Leben…
Und bei den Menschen? Wie sieht es da aus mit dem Umgang miteinander? Wie schnell sind wir bereit, etwas auszureißen, ohne zu merken, was für eine Pflanze da ausgerissen wird und welchen Schaden das für den weiteren Bereich des eigenen oder des fremden Lebens hinterlässt.
Und Corona? Wofür soll das, bitte schön, gut sein? Wir wissen es vielleicht noch nicht, aber es könnte auch ein Hinweis auf etwas sein, vielleicht, dass wir unser Leben mit all dem Raubbau an der Natur z.B. den wir Menschen durch unseren gehobenen Lebensstil verursachen, und dass wir schon lange über unsere Verhältnisse gelebt haben und leben, so nicht mehr weiterführen können. Dass wir uns bescheiden und ändern müssen – hin zu mehr Nachhaltigkeit, die Umwelt und die Ressourcen zu schonen. Weniger Fleisch essen, weniger fliegen, weniger Auto fahren usw.
Auf dem Acker der menschlichen Gemeinschaft liegt eine bunte Mischung von Samen. Da blüht viel Gutes und Schönes, und immer wieder eben auch das Unkraut der schwierigen Seiten von uns Menschen. Wir sind Menschen, die mit diesen unterschiedlichen Seiten ausgestattet sind und einander das Leben manchmal gegenseitig ganz schwer machen. Wir haben es mit den anderen schwer, aber – wir wollen es nur nicht wahrhaben – die andere haben es auch mit uns immer wieder schwer.
Lass es stehen, das Unkraut, sagt Jesus. Da muss nichts ausgerissen werden. Ernte geschieht zu einem anderen Zeitpunkt und du bist auch nicht der Herr der Ernte.
Lassen wir uns doch sagen, dass Christus auch uns stehen lässt, dass wir trotz unserer negativen Seiten von ihm angenommen sind. Und das gilt es, weiterzugeben. Das schließt auch nicht aus, dass auch mal ein klares Wort gesagt werden muss, ganz im Gegenteil. Unkraut muss auch als solches benannt werden. Aber wo wir nach dem Vorbild Christi und im Blick auf das eigene Unkraut den anderen sehen, da können wir anders miteinander umgehen und so vielleicht vermeiden mit dem Unkraut auch den Weizen auszureißen. Dazu helfe uns Gott heute und ganz besonders im neuen Jahr, das in wenigen Stunden beginnt. Amen