Predigt zu dem Bild "Frühschnee" von Caspar David Friedrich
Epistel: 2. Tim.1,7-10
Epistel: 2. Tim.1,7-10
In einer kleinen Dorfschule gab es eine Schulinspektion. Der Schulrat kam und fragte die Kinder, was sie so lernen. Da wurde stolz berichtet vom Rechnen, Schreiben, Lesen. Vorne in der ersten Bank saß an diesem Tag zufällig auch das kleine Töchterlein des Lehrers. Sie war noch längst nicht schulpflichtig, aber sie war an dem Tag einfach mal mit dabei. Zum Spaß fragte der Schulrat das Mädchen. „Na, mein Kleines, und was lernst du?“ Sie antwortete: „Ich lerne still sein!“
Ich lerne still sein. Eine schöne Antwort, aber eine schwierige Lernaufgabe, nicht nur für Kinder, sondern auch und besonders für uns Erwachsene. Und gerade in unserer hektischen und oft so lauten Zeit. Ständig sind wir von Geräuschen umgeben; im Haus, auf der Straße, aus der Luft, eigentlich überall.
Selbst wenn ich morgens meinen regelmäßigen Spaziergang mache, bin ich von Geräuschen umgeben. Erst wenn ich mich weit genug vom Ort entfernt habe, kann ich die Stille im Wald genießen. Ich freue mich jedes Mal darauf.
Ich glaube, dass wir in unserer lauten Welt die Stille suchen müssen. Und uns manchmal auch Stille geradezu erkämpfen müssen.
Der große Mathematiker und Philosoph Blaise Pascal hat einmal einen denkwürdigen Satz gesagt: „Das ganze Unglück der Menschen rührt daher, dass sie nicht still sein können.“
Mir scheint, da ist was dran. Weil wir in der Stille, in der Ruhe womöglich wahrnehmen, wie unruhig wir selbst sind. Und das nicht aushalten können. Obwohl wir uns doch so sehr danach sehnen. Dass das aufgewühlte Meer in uns zur Ruhe kommt.
Der Prophet Jesaja sagt: „Durch Stillsein und Vertrauen würdet ihr stark sein.“ (Jes.30,15)
Was hinter diesem Gedanken steckt, wird deutlich, wenn wir auf eine andere Geschichte schauen, die sich vor Jesaja zugetragen hat. Es ist eine Berg-Geschichte. Berg- Geschichten in der Bibel bezeichnen immer etwas Herausragendes. In dieser Geschichte will jemand wissen, wie Gott eigentlich ist. Dazu begibt er sich auf einen Berg (1.Könige 19). Dort wird zunächst deutlich, wie sich die Person Gott vorstellt. Was sie von Gott erwartet. Groß, stark, mächtig, unübersehbar, unüberhörbar, so stellt sich der Prophet Elija auf dem Berg Horeb Gott vor. Dann kommen Gewitter, Blitz und Donner, bebende Erde, Sturm. Aber da ist Gott nicht. Erst als Elija all diese Vorstellungen zurücklässt, wird es still. In der Stille zeigt sich ein stilles, sanftes Sausen. Da war Gott. Gott findet man in der Stille.
Auf diesem Hintergrund lässt sich verstehen, was Jesaja mit seinem Wort „durch Stillsein und Vertrauen würdet ihr stark sein“ meint. Wer nicht still sein kann, läuft Gefahr, von Gott gar nichts mitzubekommen. Und wer von Gott nichts mitbekommt, kann nicht stark sein. So einfach ist das.
Schauen wir uns jetzt Stille an. Nehmen Sie die Karte zur Hand. Es ist ein Bild von Caspar David Friedrich, der vor 250 Jahren geboren wurde. Es heißt „Frühschnee“. Schauen wir auf die Stille dieses Bildes und sind wir dabei einen Moment still:……
Das Bild ist nicht spektakulär. Was sieht man schon drauf? Ein paar Bäume. Kleinere, die stehen vorne. Und größere. Die stehen hinten. Am oberen Bildrand ein Streifen blauer Himmel zwischen den Wolken. Ein Weg führt ins Bild, der nach einer kurzen Strecke nach rechts abbiegt und nicht mehr zu sehen ist.
Das Bild passt zum Thema Stille. Viele sehnen sich danach, sie möchten einfach einmal nichts hören, nichts sehen. Sie möchten, dass es einfach einmal still ist. Nach einem langen Arbeitstag beispielsweise, oder wenn die Kinder an den Nerven zerren.
Stille kann aber auch als unangenehm empfunden werden. Auf Feiern beispielweise beginnt Stille nach kürzester Zeit peinlich zu werden. Es muss immer jemand etwas sagen, sonst hält man es nicht aus.
Ähnlich unterschiedlich (ambivalent) empfinden Menschen auch dieses Bild. Jemand hat gesagt: „Das ist ja düster, da will man gar nicht weiter gehen.“ Oder: „das Schwarze in der Mitte ist ja so unheimlich.“ Oder jemand anders sagt: „Vorne, das ist ja eine Lichtung. Ich mag Lichtungen.“
Stille kann unheimlich sein. Aber auch erfüllend. Stille kommt übrigens von „stillen“. Der Erfahrung, dass Säuglinge still und ruhig werden, wenn sie gestillt werden.
Jesaja sagt: In der Stille kann sich Gott melden. Und in der Geschichte aus dem 1. Buch der Könige haben wir gehört, dass Gott nicht im lauten Gewitter zu finden ist, sondern im stillen sanften Sausen.
Durch Stiellein und Vertrauen seid ihr stark, so Jesaja.
Caspar David Friedrich hat der Stille eine Farbe gegeben: Immergrün. Er liebt Fichten und Tannen. Für ihn fällt das Immergrün der Tannen mit dem Immergrün der Hoffnung zusammen. So gesehen ist dieses Bild „Frühschnee“ ein Hoffnungsbild. Es ist voller Grün. Grün sogar im Frühschnee, also im Winter. Grün vergeht nicht. Im Blick auf Gott erweitert sich dann sogar der Satz: „Hoffnung stirbt zuletzt“ zu „die Hoffnung stirbt nie“. Grün, die Hoffnung, ist immergrün. Amen