Predigt im Gottesdienst am 12. So. n. Trin. (27.8.2023), Pastor Seivert

Sun, 27 Aug 2023 06:33:21 +0000 von Horst Seivert

12. So.n. Trin. zu dem Wochenspruch aus  Jes.42, 3
Evangelium: Markus 7,31-37
 
Predigt über Jesaja 42,3:
„Das geknickte Rohr wird er nicht zerbrechen,
und den glimmenden Docht nicht auslöschen“.
 
Liebe Gemeinde, 
in diesem Bibelvers aus dem Buch des Propheten Jesaja, dem Wochenspruch, sind zwei ganz verschiedene Sprachbilder verborgen. 
 
1. Zum einen ist da das „geknickte Rohr“. Wenn ich mir ein geknicktes Rohr vorstelle, dann denke ich an ein Schilfrohr, so wie es am Ufer eines Sees oder eines ruhig dahinfließenden Flusses steht. Jede und jeder von uns wird eigene Bilder vor Augen haben. Im Wasser spiegelt sich der Himmel, die Wolken ziehen über den See hinweg. Das Schilfrohr wiegt sich im Wind, Vögel fliegen hin und her. 
Die Erinnerung an solche Bilder aus der freien Natur wecken Freiheitsgefühle, schöne, glückliche Erinnerungen sind das. Allerdings ist die freie Natur keine heile Welt. Schutzlos ist das Schilfrohr Wind und Wetter ausgesetzt, Stürme schlagen Schneisen ins Schilf, hier und da knickt ein Wanderer gedankenlos ein Rohr ab.  Es ist der Lauf der Dinge, dass ein Rohr einmal brechen muss, ins Wasser fällt und verfällt. Ein geknicktes Rohr, im kalten Wasser dem Wetter ausgesetzt, das ist auch ein Bild für Gefühle der Verlorenheit. So weckt das Schilfrohr vielschichtige Erinnerungen, Erinnerungen an glückliche Zeiten oder auch an schutzlose Verlorenheit. Es ist ein Bild für unser Leben. Manchmal kommen wir uns vor wie ein geknicktes Rohr im Wind.
 
2. Kommen wir zum  zweiten Sprachbild: dem „glimmenden Docht“. Beim glimmenden Docht denke ich an ein Zimmer, einen Raum, der in das warme Licht einer Kerze getaucht ist. Bevor es überall in Deutschland elektrisches Licht gegeben hat, war offenes Licht die einzige Möglichkeit, die Dunkelheit der Nacht aufzuhellen. Wer heute eine Kerze entzündet, der will zur Ruhe kommen, sich Zeit nehmen, Zeit für sich, oder Zeit für Gedanken an einen ihm wichtigen Menschen.  Das warme, lebendige Licht einer Kerze löst Gefühle der Geborgenheit aus, die Gewissheit, nicht allein zu sein. 
Allerdings ist Kerzenlicht eine verletzliche Sache.  Auch das Wachs der schönsten und größten Kerze ist einmal geschmolzen. Und schnell bläst der Wind das Licht aus. Stets ist das Licht in Gefahr, wieder von der Dunkelheit verschlungen zu werden. Aber das ist der Lauf der Dinge. Wer eine Kerze entzündet, weiß, dass sie einmal aufgebraucht sein wird. Und sogar verletzend kann eine Kerze sein, wenn sie in falsche, unachtsame Hände gerät. So ist das Bild der Kerze verbunden mit Gefühlen der Geborgenheit, aber auch der Sorge, das Licht möge verlöschen oder gar alles würde Feuer fangen und verbrennen.  Auch dies ist ein Bild für unser Leben. Manchmal empfinden wir uns so. Wie ein schwaches, glimmendes Licht nur.
 
Ein Rohr knickt ab und zerbricht, der Docht einer Kerze brennt ab und erlischt. Das ist der Lauf der Dinge.              Der Wochenspruch ist aus dem Alltag genommen und macht damit deutlich, dass Gott diesen alltäglichen Lauf der Dinge durchbricht. Das geknickte Rohr wird er eben nicht zerbrechen, und auch den glimmenden Docht nicht auslöschen.
 
Vieles erlischt im Leben, vieles zerbricht, Freiheit wird zur Verlorenheit, Geborgenheit schlägt um in Dunkelheit.  Wir alle machen unsere Erfahrungen im Leben. Wir erfahren Freude, aber es gibt auch Kummer und Sorgen – immer wieder.  Den Verlust von lieben Menschen, eine Freundschaft, die zu Bruch geht, eine Krankheit. Aber auch Genesung von einer schweren Krankheit. Wir erleben viele schöne Stunden, wir haben viel geschafft, geliebt, Kinder großgezogen, für andere gesorgt. Aber auch die eigene Arbeitskraft, geht einmal verloren, ja oft sogar die Gesundheit und die Lebenskraft. 
 
Und so ist die Verheißung des Wochenspruchs für uns alle von besonderer Tragweite und Bedeutung.
 „Das geknickte Rohr wird er nicht zerbrechen, und den glimmenden Docht nicht auslöschen“.
 
Wer ist mit er gemeint? Jesaja, auf den diese Worte zurückgehen, knüpft dieses Hoffnungswort und diese Verheißung an den sogenannten Gottesknecht. Später hat dann die christliche Gemeinde dieses Wort aufgegriffen und in Jesus Christus erfüllt gesehen. So können wir es beispielsweise im gleichen Wortlaut bei Matthäus nachlesen. „Das geknickte Rohr…“ Er wird die Ohren der Tauben und die  Augen der Blinden öffnen  und die da sitzen in der Finsternis, befreien. (Evangelium des Sonntages)
 
An diesen Worten können wir uns festhalten, wenn uns Verlorenheit und Dunkelheit bedroht. Vieles mag zerbrechen und erlöschen im Leben, Gottes Liebe erlöscht und zerbricht nicht. Das gilt im Leben und über den Tod hinaus.
Das ist unsere große Hoffnung, dass Gott den Lauf der Dinge durchbricht und uns erhält, uns und unser Leben,  dass wir, unser Leben und unsere Lieben aufgehoben sind bei ihm. Durch die Hoffnung hindurch scheint Gottes Licht auch heute in unser Leben hinein. Sie hilft gegen die Angst vor dem ausweglosen Ende, und sie macht die Sinne frei für die schönen Seiten des Lebens.  Auch über das geknickte Rohr scheint zuweilen die Sonne und Vögel halten Rast bei ihm, und der glimmende Docht trägt weiter die Wärme der Glut in sich.
Amen
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