Predigt im Gottesdienst am Sonntag Reminiszere (25.02.24), Pastor Horst Seivert

Sun, 25 Feb 2024 08:05:20 +0000 von Horst Seivert

Reminiszere 2024

zu EG „O Mensch, bewein dein Sünde groß“  

Lesung: Hebr.5, 7-9 

„Er hat in den Tagen seines irdischen Lebens Bitten und Flehen mit lautem Weinen und mit Tränen vor den gebracht, der ihn aus dem Tod erretten konnte; und er ist erhört worden, weil er Gott in Ehren hielt. So hat er, obwohl er der Sohn war, doch an dem, was er litt, Gehorsam gelernt. Und da er vollendet war, ist er für alle, die ihm gehorsam sind, der Urheber der ewigen Seligkeit geworden.“

Liebe Gemeinde!

Kennen Sie den? Kommt ein Pastor und ein Taxifahrer an die Himmelstür. Sagt Petrus: „Taxifahrer, Sie können durch, aber Sie, Pastor, müssen noch warten.“ Fragt der Pastor ganz verdutzt: „Wieso denn?“ Antwortet Petrus: „Ganz einfach, bei Ihnen in der Kirche sind die Leute immer eingeschlafen, aber beim Taxifahrer haben sie gebetet.“

Lachen? Ich sehe einige von Ihnen lachen. Das ist gut!

Es ist ein großes Glück, wenn Menschen sich freuen und lachen können.  Etwa über einen Witz, oder einfach so. Es ist ein Zeichen, dass das Leben schön ist, dass so manches gelingt, dass wir Menschen an unserer Seite haben, die es gut mit uns meinen, dass wir in einem Land leben dürfen, in dem wir uns frei entfalten können, dass wir genug zu essen und zu trinken haben, reisen können, gesund sind, usw. usw. Lachen ist Ausdruck der Lebensfreude.

Lachen ist gesund. Es stärkt die Abwehrkräfte,  Lachen hat positive Effekte auf unsere körperliche und seelische Gesundheit. Und Lachen ist ansteckend. Charlie Chaplin hat einmal gesagt: „Ein Tag, an dem man nicht lacht, ist ein verlorener Tag.

Doch von manchen Menschen wird gesagt, dass sie in den Keller gehen, um zu lachen. Das ist schade. Ich hoffe, Sie gehören nicht dazu. Sorgen wir also dafür, dass wir immer etwas zu lachen haben. Es ist gut, es ist gesund.

Natürlich gibt es immer wieder Situationen im Leben, wo einem das Lachen vergeht. Trauer, Schmerz, Angst. Doch zu hoffen und zu wünschen ist jedem von uns, dass es dann doch wieder auch andere Zeiten gibt, wo einem das Lachen näher ist als das Weinen.

Es ist ein großes Glück, wenn Menschen lachen können, doch ebenfalls ist es ein großes Glück, wenn Menschen weinen können. Wie heißt es in dem Lied Nr. 170 im Gesangbuch: „Lachen oder weinen wird gesegnet sein. Wir werden es nachher noch singen.

Es gibt Tränen des Schmerzes, Tränen der Trauer, der Klage, die geweint werden, Tränen der Reue, aber auch Tränen des Glücks und der Erleichterung. Es gibt Tränen, die die Augen klar waschen, die Nase durchputzen und neues Aufatmen ermöglichen.

Bei manchen Trauungen liegen Taschentücher in den Bänken für die Gottesdienstbesucher aus. Es wird also von vornherein damit gerechnet, dass während der Trauzeremonie nicht nur gelacht, sondern auch geweint wird. Tränen des Abschiedes einerseits, Tränen der Freude andererseits.

Und unsere Friedhofskapellen? Sie sind die Orte, wo mit Abstand am meisten geweint wird.

Lachen und Weinen sind also ganz normale Gefühlsreaktionen auf unser Leben.

Und doch muss manchen Mitmenschen Mut zum Weinen gemacht werden. Nicht wenige haben sich das Weinen verboten. „Ein Indianer weint nicht“, heißt es dann, oder „ich bin doch keine Memme“. Und so laufen die Tränen dann nach innen, statt nach außen, und versalzen das Leben.

Es gibt Tränen der Erleichterung. Wenn wir sie nicht zulassen, verhärtet sich unser Leben mehr und mehr. „Alles ist so, wie es ist“, sagen dann diese Menschen, und „ich habe keinen Grund zu weinen und schon gar nicht über mich selbst“. Sie sehen kein Versagen, keine Schuld, keine Versäumnisse, keine Sünde bei sich selbst und haben darum auch keine Tränen. Und auch kein Mitleid mehr, sie geben sich selbst dabei auf und sind nur noch ein funktionierendes Rad eines automatischen Getriebes.

„O Mensch, bewein dein Sünde groß“, haben wir in dem Passionslied gesungen.

Auch Jesus hat geweint. In dem Predigttext heute heißt es: 

„Er hat in den Tagen seines irdischen Lebens Bitten und Flehen mit lautem Weinen und mit Tränen vor den gebracht, der ihn aus dem Tod erretten konnte; und er ist erhört worden.“

Er hat geweint für uns, er weint für all die Not, für all das Leid, das wir uns gegenseitig zufügen, er weint, wenn Menschen sich gegenseitig umbringen…. wenn Kinder missbraucht werden…immer wieder weint Jesus.  Er weint über Jerusalem, er weint über Lazarus, er hat Mitleid mit seinem Volk, er weint über jeden Menschen, der in Not geraten ist, er trägt all die Last auf seinen Schultern.

„Dominus flevit“ – der Herr hat geweint. So heißt einer der schönsten Plätze in Jerusalem. Eine kleine Kapelle steht dort in der Nähe des Ölberges mit einem schönen schmiedeeisernen Gitter, das den Blick nach Jerusalem öffnet. Man sieht an dieser Stelle nichts Hässliches, nicht die Not und das Elend, sondern in der Sonne strahlend, den Tempelberg, die Stadt Jerusalem. Hier hat der Herr geweint, weil er die Möglichkeiten sah, die die Stadt und die Menschen in dieser Stadt hatten. Zugleich wusste er um alle Last und ihre Schuld, um das Elend dieser Stadt und seines Landes und Volkes bis heute. All das hat er am Kreuz auf sich genommen.

„O Mensch, bewein dein Sünde groß“. Wenn wir um unsere Sünden weinen, dann nicht aus Angst und Furcht, sondern weil wir sehen, was möglich ist, was durch Gottes Segen möglich ist. Dass Gott uns unsere Sünden, unsere Schuld am Kreuz vergeben hat und es bis heute immer wieder tut.

„Hätten wir doch, wären wir doch…wie oft fallen uns solche Verlegenheitsworte ein. Christus steht dagegen. Er errettet aus dem Tod. Er steht ein für das, was uns anscheinend zu schwer geworden ist.

Wir sind in der Passionszeit. Wir denken an das Leiden und Sterben Christi. Es soll eine Zeit sein, in der wir Klarheit erlagen über uns, unsere Chancen und Grenzen. Es könnte vielleicht auch eine gute Zeit sein für unsere Tränen. Gerade sie, die Tränen, sollten wir nicht unterdrücken. Vielleicht machen wir dann auch die Erfahrung, wie schön es ist, wenn ein lieber Mensch uns in den Arm nimmt und uns tröstet, uns vorsichtig die Tränen trocknet, nicht abwiegelt, es sei doch nicht alles so schlimm, sondern uns zusagt: Es wird gut, denn „als er vollendet war, ist er für alle, die ihm gehorsam sind, der Urheber der ewigen Seligkeit geworden“. (Hebr. 5,9) Amen.
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