Predigt im Gottesdienst am Sonntag Judika, 3.04.2022 in der Holtorfer Kirche, Pastor Horst Seivert

Sun, 03 Apr 2022 06:02:18 +0000 von Horst Seivert

Judika – Markus 10,35-45

Liebe Gemeinde!

Es geht heute um das Thema Macht und Dienen. 

Ich beginne mit einem Zitat von Charlie Chaplin. Charlie Chaplin war einer der erfolgreichsten Komiker, Schauspieler, Filmstar und Produzent des letzten Jahrhunderts. Er hat zum Thema Macht folgendes gesagt: 

„Macht brauchst du nur, wenn du etwas Böses vorhast. Für alles andere reicht Liebe, um es zu erledigen.“

Ich finde, das sagt schon viel zum Thema Macht und Dienen.  Das Wort dienen möchte ich allerdings gerne mit dem Wort lieben oder helfen ersetzen. Ich glaube, das trifft es eher. Dienen hat bei viele Menschen heute nicht mehr den ursprünglichen Klang und Bedeutung. Wir denken heute beim Wort dienen viel zu sehr an Unterwürfigkeit, an sich klein machen, sich bücken…

Und trotzdem begegnet uns das Wort „dienen“ in auffällig vielen, verschiedenen Zusammenhängen: Wir sprechen      von „Dienstleistungen“ und von der „Dienstleistungs-gesellschaft“. Äußerst höflich wird am Service-Telefon zurückgefragt: „Was kann ich für Sie tun? Womit kann ich Ihnen dienen?“  In der Gaststätte wird man bedient.  Es soll Leute geben, die sich gerne im „Hotel Mama“ bedienen lassen. Die Mutter wäscht und macht und tut alles für ihre längst erwachsenen Kinder. Wir sprechen vom „Verdienst“, also davon, was einer/e verdient. Oder „ich muss zum Dienst“ heißt es immer noch, wenn jemand zur Arbeit muss.

Angela Merkel überraschte die Nation mit einem schlichten Satz, als sie 2005 das Amt der Kanzlerin antrat: Sie sagte: „Ich will Deutschland dienen.“

Johannes und Jakobus wollen ganz nahe bei Jesus sein, in der ersten Reihe sitzen. Sie wollen anerkannt und gesehen werden.

Im Grunde genommen ist das nicht verwerflich. Auch wir wollen wahrgenommen werden, wenn wir etwas tun. Wenn wir uns für eine Sache eingesetzt haben, z.B. ehrenamtliche Dienste für die Kirchengemeinde oder für den Verein wahrgenommen haben.  Das soll bitte schön gewürdigt und anerkannt werden.

Das ist menschlich, nicht wahr?

Jakobus und Johannes gehen noch etwas weiter. Sie bitten Jesus um eine besondere Machtstellung. Sie erwarten eine Gegenleistung für ihre Mühen der Nachfolge. Ja, sie wollen einen Ehrenplatz sicher haben im Himmel.

Und Jesus? Er weist sie zurecht. Ihr habt nichts verstanden, sagt er. Hier geht es nicht ums Herrschen, sondern ums Dienen.

Eigentlich sollte das klar sein. Dienen ist besser als Herrschen. Das wusste schon Charlie Chaplin: „Macht brauchst du nur, wenn du etwas Böses vorhast. Für alles andere reicht Liebe, um es zu erledigen.“

Jesus sagt es ähnlich: „Ihr wisst, dass die, welche als Fürsten der Völker gelten, die Völker knechten und ihre Großen über sie Gewalt üben. Unter euch aber ist es nicht so.“

Natürlich gibt es schlechte Formen der Gewalt und Machtausübung. Machtmissbrauch. Wir sehen in diesen Tagen nach Russland wo ein Autokrat sein Unwesen treibt und Millionen Menschen in Angst und Schrecken versetzt und die Weltwirtschaft ins Wanken bringt, nur um seine Macht zu erweitern, also um noch mächtiger zu werden. Koste es was es wolle. Wir sehen in andere Länder, wo das ähnlich ist.

Macht hat viele Formen und Facetten, auch bei uns, in unserer Gesellschaft und auch in der Kirche, in den Familien, im beruflichen Alltag, in der Ehe…

Macht wird ständig angewandt, aber auch missbraucht, dafür sind auch wir anfällig.

Doch Macht per se, also Macht an sich als schlecht zu bezeichnen, wird der Sache nicht ganz gerecht. Manchmal braucht es ein Machtwort, wenn die Sache aus dem Ruder läuft. Auf Macht, auf Führung kann und darf nicht verzichtet werden.

Martin Luther King hat am 4.2.1964, zwei Monate vor seiner Ermordung über den heutigen Predigttext gesprochen: „Wir würden wohl sehr schnell, ohne lange zu überlegen, Jakobus und Johannes verdammen und sie selbstsüchtig nennen. Aber bevor wir das tun, lasst uns ruhig und ehrlich uns selbst betrachten. Und wir werden entdecken, dass auch wir dieses elementare Verlangen nach Anerkennung haben, Erste zu sein.“

Schauen wir, was Jesus dazu sagt: „Ihr wisst, dass Fürsten ihre Völker knechten und über sie Gewalt ausüben. Unter euch aber soll es nicht so sein. Wer unter euch groß sein will, der sei euer Diener.“

Das ist der Punkt. Macht ist nötig, sie hat auch etwas Gutes, wenn sie entsprechend genutzt, eingesetzt wird. Aber sie ist auch gefährlich. Sie kann missbraucht werden. Jesus nachzufolgen, bedeutet bereit sein, Menschen zu helfen.

„So soll es unter euch sein!“, hören wir Jesus sagen. Dass ihr euch gegenseitig dient und helft und beisteht und das sogar gerne tut. Statt euch gegenseitig auszuspielen und auszutricksen und einander schlecht zu machen, tut einfach Gutes, verschwendet eure Großzügigkeit, ohne zu fragen: Was bekomme ich wohl dafür?

(So paradox, so widersprüchlich es in unseren Ohren auch klingen mag: Wenn keiner mehr sich selbst erhöht (weil er das nicht mehr nötig hat), sondern im Gegenzug einer den anderen erhöht und groß macht, wenn alle abgeben und teilen, wenn alle sehen, was der andere braucht…dann wird Not beendet, dann blühen Menschen auf, dann macht das Leben Spaß.)

Die Erde ist reich genug, für alle Menschen ist mehr als genug da und jeder einzelne hat genug Möglichkeiten, Gutes zu tun und sich einzubringen für eine wahrhaft menschliche Welt. Wenn wir uns dem anderen Menschen wirklich zuwenden, dann profitieren wir selbst davon, dann leben wir glücklicher und zufriedener.

Nicht die großen Aktivitäten und Aktionen sind im Blick, sondern das, was du und ich, was jeder von uns im Guten tun kann in kleinen Schritten. Ich denke dabei an vieles, was in unserer Gemeinde im Stillen geschieht. Ich denke an Nachbarschaftshilfe, Hilfe für die Flüchtlinge, Geld- oder Sachspenden… In zwei Gottesdiensten und der Veranstaltung „Lesen unter´m Turm“ haben allein wir hier in der Kirchengemeinde fast 400 Euro für die Ukrainehilfe gesammelt.

„Diakonein“ – so lautet das Wort, das in der Bibel mit dienen übersetzt wird. Diakonein heißt helfen und heilen. Einander zu helfen und zu heilen, dazu ist jeder von uns aufgefordert und damit hat jeder von uns mehr als genug zu tun.

Einer hat es uns vorgelebt: Der, den wir JCHR nennen, unser Herr, unser Helfer, unser Heiland. Er kam nun gerade nicht, um sich dienen und bedienen zu lassen, nein. Er kam, um zuallererst uns zu dienen. Und weil er in der Kraft des Hl. Geistes bis heute nicht aufhört, uns zu dienen, darum können und sollen wir einander dienen, einander stärken und ermutigen…Darin mache Gott uns groß!                                                                                                                                                                                                                     Amen
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