Predigt im Gottesdienst am Sonntag Exaudi (Muttertag), 12.05.2024, Pastor Horst Seivert

Sun, 12 May 2024 07:10:41 +0000 von Horst Seivert

Liebe Gemeinde!

Wir beginnen mit einem fiktiven Gespräch, welches ein ungeborenes Zwillingspärchen im  Bauch der Mutter führt:

„Sag mal, glaubst du eigentlich an ein Leben nach der Geburt?“ 

„Ja, auf jeden Fall! Hier drinnen wachsen wir und werden groß und stark für das, was draußen an der frischen Luft kommen wird.“ 

„Ich glaube, das hast du eben erfunden. Es kann kein Leben nach der Geburt geben – und wie soll denn ‚frische Luft‘ bitte schön aussehen?“

„So ganz genau weiß ich das auch nicht. Aber es wird sicher viel heller sein als hier. Und vielleicht werden wir mit den Beinen herumlaufen können und mit dem Mund tolle Sachen essen?“

„So einen Schwachsinn habe ich ja noch nie gehört! Mit dem Mund essen, was für eine verrückte Idee. Es gibt doch die Nabelschnur, dieuns nährt. Und wie willst du herumlaufen? Dafür ist doch die Nabelschnur viel zu kurz.“

„Doch, das geht ganz bestimmt. Es wird eben alles nur ein bisschen anders sein.“

„Du träumst wohl! Es ist doch noch nie einer zurückgekommen von ’nach der Geburt‘. Mit der Geburt ist das Leben einfach zu Ende! Punktum!“

„Ich gebe ja zu, dass keiner genau weiß, wie das Leben ’nach der Geburt‘ aussehen wird. Aber ich weiß, dass wir dann unsere Mutter sehen werden und sie wird sicher für uns sorgen.“

„Mutter??? Du glaubst doch wohl nicht an eine Mutter? Wo soll denn die nun sein, bitte schön?“

„Na hier – überall um uns herum. Wir sind und leben in ihr und durch sie. Ohne sie könnten wir gar nicht sein!“

„So ein Blödsinn! Von einer Mutter habe ich noch nie etwas bemerkt, also gibt es sie auch nicht! Schluss damit!“

„Doch, manchmal, wenn wir ganz still sind, kannst du sie leise singen hören. Oder spüren, wenn sie unsere Welt ganz sanft und liebevoll streichelt …“

(Henry Nouwen)

 
Heute ist Muttertag. Da liegt es auf der Hand, das zum Thema zu machen. Mit gutem Grund, denn in der Bibel kommt das Wort „Mutter“ immerhin 338x vor. 

Nicht jeder von uns ist Mutter, aber jeder hat eine. Vielleicht lebt sie noch, vielleicht ist sie schon gestorben. Jeder hat ein besonderes Band mit seiner Mutter, allein dadurch, dass wir in ihrem Bauch herangewachsen sind, über Monate hinweg aufs Engste mit ihr verbunden. Jeder hat seine ganz eigene Beziehung zu seiner Mutter. Vielleicht innig und intensiv, vielleicht ein loserer Kontakt, vielleicht auch ein zerrüttetes Verhältnis.

Wie geht es Ihnen, wenn Sie an Ihre Mutter denken? Kommen Ihnen da ganz bestimmte Erinnerungen in den Sinn? Was Sie gern miteinander gemacht haben, worüber Sie am liebsten gesprochen haben, was ihre liebenswerteste Eigenschaft oder die nervigste Eigenheit ist? Was sie ausmacht, was sie besonders macht?

Manch einer, manch eine ruft die Mutter nachher an oder geht zu ihr, vielleicht mit einem Käsekuchen, vielleicht aber auch mit einer Kerze an ihr Grab. 

Die Geschichte, die ich jetzt erzähle, passierte vor mehr als hundert Jahren. Thomas war ein wissbegieriger, kleiner Junge. Er konnte es kaum erwarten, endlich in die Schule zu kommen. Er war aber seit seiner Geburt schwerhörig und tat sich schwer, den Erklärungen und Anweisungen seiner Lehrer zu folgen. Eines Tages überreichte ihm der Schulleiter einen versiegelten Brief, den er seiner Mutter aushändigen sollte. Als die Mutter das Schreiben las, traten ihr Tränen in die Augen. Besorgt, wollte Thomas wissen, was in dem Brief geschrieben stand. Da las ihm seine Mutter vor: „Ihr Sohn verfügt über außergewöhnliche Begabungen. An unserer Schule fehlen uns die Möglichkeiten, den Jungen zu fördern. Daher bitten wir Sie, Ihren Sohn selbst zu unterrichten.“
Jahre später machte Thomas weltweit Schlagzeilen, denn er galt mittlerweile als einer der größten Erfinder seiner Zeit. Gemeint ist Thomas Edinson, der Erfinder der Glühbirne. Als er nach dem Tod seiner Mutter ihre Unterlagen durchsah, entdeckte er dabei den Brief, welchen er damals von der Schule nach Hause gebracht hatte. Als er ihn las, traten ihm wie damals seiner Mutter Tränen in die Augen. Denn in dem Brief stand: „Ihr Sohn ist nicht nur schwerhörig, sondern auch geistig behindert. Daher können wir ihn an unserer Schule nicht weiter unterrichten!“
 
Ich habe diese Geschichte für den heutigen Muttertag ausgewählt, weil sie das Wesen aller Liebe ausdrückt.

„Ihr Lieben, lasst uns einander liebhaben; denn die Liebe ist von Gott, und wer liebt, der ist von Gott geboren und kennt Gott.  Darin besteht die Liebe: nicht, dass wir Gott geliebt haben, sondern, dass er uns geliebt hat…Gott ist die Liebe. Und wer in der Liebe bleibt, der bleibt in Gott und Gott in ihm.“             
So heißt es in 1. Johannesbrief 4,7-16. Wir haben diese Worte vorhin als Lesung gehört.

Es bleibt unserer Phantasie überlassen, wie sehr die Liebe seiner Mutter das Leben des großen Erfinders Thomas Edison geprägt hat. Sicher ist, Liebe prägt unser Leben, Liebe bereichert es und Liebe hat Ewigkeitswert, sie geht nicht verloren.

Der Auftrag an uns alle, nicht nur an die Mütter, lautet:  Bleibt in der Liebe, lebt die Liebe, wann und wo immer es euch möglich ist, lebt sie zu euren Kindern, lebt sie zu allen, zu den Verlorenen, zu den Verachteten, zu den Entrechteten…  Denn das ist Gottes Wille, ja Gott selbst ist die Liebe und wer in der Liebe bleibt, der bleibt in Gott und Gott in ihm.  Wir sollen und dürfen immer mehr zu Liebenden werden auf diesem Planeten, der uns geschenkt ist. Wir dürfen die Liebe allem Unverständnis, allem Hass, allen Kriegen entgegenstellen.
In diesem Sinn allen Müttern dieser Erde und allen mütterlich-liebevollen Menschen einen wunderbaren Muttertag! Amen
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