Predigt an Karfreitag von Pastor Horst Seivert

Fri, 02 Apr 2021 11:47:21 +0000 von Horst Seivert

Karfreitag 2021

„Die sieben letzten Worte Jesu am Kreuz“

Wer schon einmal beim Sterben eines Menschen dabei gewesen ist, weiß es: Es sind die letzten Gesten und die letzten Worte, die sich besonders tief in die Erinnerung einprägen.

Von Jesus werden uns in den vier Evangelien verschiedene letzte Worte überliefert. Ich möchte heute am Karfreitag die Sterbeworte Jesu bedenken und mich fragen: Was sagen sie mir für mein /für unser Leben heute?

1. „Vater, in deine Hände befehle ich meinen Geist.“

Jesus betet diesen Satz als gläubiger Jude. Es ist sein tägliches Abendgebet, das er auch am Abend seines Lebens spricht. Juden stellen sich vor, dass sie jeden Abend ihren Lebensgeist in Gottes Hände übergeben. Und sie hoffen, dass Gott am nächsten Morgen ihnen den Lebensgeist wieder zurückgibt und sie aufwachen lässt. Welche Lebenskunst: Jeden Tag bewusst als ein Geschenk annehmen. Das möchte ich auch einmal sagen können, wenn der Tag gekommen ist, an dem es Zeit ist zu gehen. Zu wissen, wenn wir unsere Augen schließen, wird Gott da sein.

2. „Vater, vergib ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun.“

Das Leben geht nie glatt. In jedem Leben gibt es Auseinandersetzungen. Böse Worte sind gefallen. Es gibt Menschen, die mich verletzten, mit denen ich im Unreinen bin…In jedem Leben gibt es das: Brüche, Verwundungen, Narben…Aber am Ende wird nur der zufrieden und ruhig leben können, der auch verzeihen kann. Der auch, was er als Unrecht empfunden hat, ruhen lassen kann. Der sich bewusst ist: Vielleicht haben  andere auch mir zu vergeben.

„Ich bitte Sie um Verzeihung!“ hat die Bundeskanzlerin neulich zu der ganzen Nation gesagt. Das war im Zusammenhang mit der letzten Sitzung zu dieser Pandemie. Am Ende eines mehr als 10-stündigen Treffens aller MinisterpräsidentInnen und dem Bundeskanzleramt musste sie einige fehlerhaft getroffene Entscheidungen zurücknehmen. Geschadet hat ihr dieses Eingeständnis nicht, im Gegenteil, es zeigt, dass auch sie nur ein Mensch ist wie wir alle, eben nicht vollkommen. Um Verzeihung zu bitten, dafür sollte sich niemand zu schade sein.

3. „Frau, siehe dein Sohn, siehe deine Mutter!“

Wie oft heißt es an Sterbebetten: „Passt mir auf die Mutter auf!“ oder „Kümmert euch um unser Sorgenkind!“ Sterbende sehen das besonders deutlich. Leben geht nur gut, wenn die Generationen sich die Hände reichen, wenn die Stärkeren sich der Schwächeren annehmen und sie ein Stück weit mittragen.

4. „Wahrlich, ich sage dir, heute wirst du mit mir im Paradies sein.“

Es gibt immer Lebensphasen, in denen man meint: es geht alles schief. Alles geht den Berg runter. Wie gut tut es dann, ein Wort der Hoffnung hören zu dürfen. Jemanden zu haben, der mich aus dem Loch herausholt. Es ist schon etwas dran an dem Spruch: "Das Wort, das dir hilft, kannst du dir nicht selber geben". Es muss dir ein anderer sagen. Jesus gibt uns zum Abschied mit auf den Weg: Dass wir etwas erwarten dürfen über den Tod hinaus.

5. „Mich dürstet!“

Ja, so ist es. Solange ich Hunger und Durst habe, lebe ich. Wie schön ist es, wenn ich Lebenslust spüren darf: Hunger und Durst auf etwas Neues habe. Wenn ich schöne Augenblicke genießen kann. Wie schön ist es, wenn auch ein älterer Mensch noch sagen kann: ich bin gespannt, was noch alles auf mich zukommt. Ich möchte es bis zum letzten Augenblick ausschöpfen.  Mich dürstet – heißt wohl. Leben lohnt sich bis zum letzten Atemzug.

6. „Mein Gott, warum hast du mich verlassen?“

Jesus stirbt nicht als Held am Kreuz. Er stirbt mit einer himmelschreienden Anklage. Auch das gehört zum Leben: Ich muss nicht alles schweigend hinnehmen Ich darf meinen Schmerz und meine Enttäuschung hinausschreien – vor Gott. „ Mein Gott, warum hast du mich verlassen", oder noch besser übersetzt: wozu hast du mich verlassen? Was ist der Sinn, der dahinter steckt? Wer so seine Enttäuschung vor Gott zur Sprache bringt, der hadert nicht mit ihm, sondern wirft im Gebet seinen letzten Rettungsanker auf ihn.

7. „Es ist vollbracht.“

Kennen Sie das Gefühl: ich bin mit meiner Arbeit fertig geworden. Ich habe etwas abgeschlossen, wofür ich viel Zeit, Kraft und Lebensenergie investiert habe. Kennen Sie das Gefühl, in Zufriedenheit auf Vollbrachtes zurückzuschauen? Und ob man nicht auch das lernen muss, auch Unvollendetes aus der Hand zu geben, ruhen lassen zu können, wozu  keine Kraft und Energie  mehr da ist? Ob man das nicht lernen muss, um dann am Ende auch sein Leben, das nie ganz vollendet sein wird, aus der Hand zu geben? Jesus gibt uns mit auf den Weg: Macht Frieden damit, dass euer Leben hier unvollkommen bleibt. Wo unser Faden gerissen ist, wird er ihn weiterknüpfen und heilen, was uns schiefgegangen ist. Gott wird vollenden, was hier auf der Strecke geblieben ist. 

Damit verabschiedet sich Jesus von uns.

Sieben Worte am Kreuz. Es sind Abschiedsgrüße, und doch voller Zukunft. Worte des Lebens in der Stunde des Todes. Danke Jesus!

Amen
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