Predigt im Gottesdienst Kantate, 7.05.2023, Pastor Seivert

Sun, 07 May 2023 10:37:02 +0000 von Horst Seivert

Kantate 2023  zu 1. Sam.16,14-23

Liebe Gemeinde!

Musik hat eine große Wirkung. Kaum jemand kann sich ihr entziehen. Heute ist Musik in unserer Welt in einem so hohen Maß gegenwärtig und verfügbar, wie noch nie. Viele hören zu jeder möglichen Gelegenheit Musik.  Musik umgibt uns überall und an allen Orten. Vielleicht ist Musik für uns Menschen so etwas wie ein klingender Schutzraum gegen die als hart empfundenen Anforderungen und Überforderungen unseres Lebens, ein Medium, in das wir uns hinein flüchten können, wenn wir nicht mehr weiterwissen.

Auf jeden Fall – wer hat das noch nicht erfahren? – mit Musik geht vieles leichter im Leben. Mit ihr drücken wir unsere Gefühle aus, unsere Freude, unseren Dank, auch unseren Glauben. Sie ermöglicht uns, auch auszudrücken, was manchmal so schwer zu sagen ist: z.B. Trauer und Leid, Sehnsucht und Klage.

Mit Musik und der eigenen Stimme erhebt man sich ein wenig über sich selbst hinaus, vor allem dann, wenn die Tage schwer zu ertragen sind. Ein Lied macht vieles leichter. Es vertreibt die dunklen Schatten und Gedanken in uns.

Das weiß auch die Bibel, dieses große Lebensbuch Gottes und der Menschen, dem kein Thema fremd ist. Als der depressiv veranlagte König Saul wieder einmal ein Stimmungstief hat, (in der Bibel steht:“ er wurde von einem bösen Geist geängstigt“), da kommt der junge David, der später König wurde, mit seiner Harfe an den Hof. Vielmehr, er wird von seinem Vater Isai an den Hof Sauls geschickt. Er spielt Saul eine Weile vor und ihm wird spürbar leichter ums Herz. „Es ward besser mit ihm, und der böse Geist wich von ihm.“ So lesen wir. König Saul war depressiv. Heute ist diese Krankheit bei uns stark auf dem Vormarsch.

Diese Szene ist auf der Karte zu sehen, die Sie bekommen haben. Ich möchte sie Ihnen schenken. Ein Bild von dem berühmten Mark Chagall: „David mit der Harfe“. Das Original entstand im Jahre 1956 und hängt heute im Nationalmuseum in Nizza.

Dieses Bild fasziniert mich durch die Klarheit der Darstellung und die besonderen Farben. Auffällig ist die Krone, mit der Chagall David malt und die dominierende rote Farbe, die Farbe des Herrschers: David, der Herrscher, König Israels, der als erster das Volk zu einer gewissen Größe geführt hat, David, der zum Stammvater von Jesus Christus wird. David ist eine Symbolfigur für das Volk Israel, für sein Nationalbewusstsein, für Stärke, aber auch für das Auf- und Ab eines menschlichen Lebens. David steht für Macht und Poesie, für Verheißung und Fall – bis heute.

Viele Lieder, viele Psalmen gehen auf David zurück. David war nicht nur König und Herrscher, sondern auch Sänger, Musiker und Dichter von Gebeten und Liedern, die bis heute von Juden und uns Christen als grundlegend für unsere Spiritualität angesehen werden. „Ein Psalm Davids vorzusingen“, so lesen wir es als Überschrift über einer Vielzahl von Psalmen in der Bibel. Dank, Lob, Bitte, aber auch Klage, Schmerz und Verzweiflung, und auch Vertrauen und  Gewissheit – all das legt David in seine Lieder hinein.

Acht Saiten scheint seine Harfe hier auf dem Bild zu haben, wenn ich richtig gezählt habe, ganz so, wie es in der Überschrift von Psalm 12 heißt: „Ein Psalm Davids, vorzusingen auf acht Saiten.“

David ist hier nur mit einer Gesichtshälfte sichtbar, nur ein Auge ist zu sehen. In den meisten Bildern, in denen Chagall David malt, ist es ähnlich. David im Profil. Es gibt in David noch eine andere Seite; die wir nicht sehen. Diese andere Seite ist nur allzu bekannt. Da sind, durchaus zwiespältige Aspekte in seiner Biografie. Da ist der Machtpolitiker, der auf militärische Macht setzt, statt auf Gottvertrauen. Und da ist die Beziehung zu einer Frau, zu Bathseba, von der er sich angezogen fühlt, und deren Mann er in die erste Schlachtreihe stellt, in der Hoffnung nach dessen Tod Bathseba ungestört zur Frau nehmen zu können. Sein Plan ging auf, doch er musste einsehen, was er getan hatte, er hatte die Folgen zu tragen.

Ohne seine Bedeutung zu schmälern, schildert die Bibel mit König David eine schillernde Persönlichkeit, die fasziniert und erschreckt. Damit wird selbst der große Herrscher Israels zu einem Menschen, der, wie jede und jeder andere auch, angewiesen ist auf Gottes Gnade, auf das Angenommensein durch Gott, der allein rettet.

Wenn ich mir dieses Bild vor Augen halte, kann ich darin mein eigenes Leben entdecken: die hellen und die dunklen Seiten in mir, Heiterkeit und Schwermut, die sich manchmal meiner bemächtigen. Im Bild entdecke ich, wie beide Seiten zusammengehören, wie untrennbar gute und schwere Zeiten beieinander liegen. Es kann mir gehen wie Saul, der in Schuld verstrickt ist, den Traurigkeit krank macht. Es kann mir auch gehen wie David, der mit seiner Musik, mit seinen Liedern Traurigkeit lösen, Schwermut vertreiben kann. Beide Seiten sind in mir, sie gehören zu mir, sie gehören zu uns allen.

In König David dürfen auch wir uns alle als Menschen erkennen, die wir mit unseren so grundverschiedenen Seiten, mit den Höhen und Tiefen unseres Menschseins, geliebt und angenommen sind durch Gott.

Die Geschichte von David und Saul und das Bild machen deutlich, dass Singen und Musizieren heilsame Wirkung haben können.

„Singet dem Herrn ein neues Lied, denn er tut Wunder!“ Das ruft uns der Wochenspruch zu. Immer wieder geschieht das auch in unserem Leben. Gott tut Wunder, jeden Tag neu, auch wenn wir das nicht immer erkennen. Das größte Wunder ist, dass er seinen Sohn Jesus Christus auferweckt hat von den Toten. Daher glauben wir an das Leben und nicht an den Tod. Das Leben und nicht der Tod hat den Sieg davongetragen. Das ist Hoffnung für uns alle und Grund zu singen von den Wundern, die Gott immer wieder tut. Amen
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