Predigt im Gottesdienst in Holtorf am 20.2.2022 zu Hebräer 4,12-13 von Pastor Horst Seivert

Sun, 20 Feb 2022 10:17:20 +0000 von Horst Seivert

Sexagesimä - 2022 zu Hebräer 4,12-13


„Das Wort Gottes ist lebendig und kräftig und schärfer als jedes zweischneidige Schwert und dringt durch bis es scheidet Seele und Geist, auch Mark und Bein…“

Liebe Gemeinde!

Sind wir uns eigentlich einer unserer mächtigsten Waffen bewusst? Wir benutzen sie meistens täglich, in verschiedenen Formen, viele viele Male. Wir können damit einen immensen Schaden anrichten, und das sogar schon nach einmaligem Gebrauch. Wir können betrügen, verletzen, zerstören, aufklären, belügen, aber auch aufdecken, ermahnen, aufbauen, ermutigen. Kurz: Wir können auf uns selbst und unsere Umwelt enormen Einfluss nehmen, je nachdem, wie wir damit umgehen: mit unseren Worten.

 „Worte sind Taten“ schreibt der Philosoph Ludwig Wittgenstein (1889-1951).  Und damit hat er recht. Es ist ein gefährlicher Irrtum zu meinen, es seien ja „nur“ Worte, die wir sprechen.

Worte sind Taten.  Das gilt auch für Gottes Worte, die wir hören, lesen, nachsprechen oder anderen Menschen zusprechen.

Es gibt Menschen, die gehen in einen Gottesdienst allein wegen der segnenden Worte am Ende. Sie erwarten diese Worte sehnlichst als eine Tat Gottes an ihnen. Sie hören die Worte nicht nur, sie fühlen sie auch und empfinden sie wie einen schützenden Mantel: „Der Herr segne dich und behüte dich, der Herr lasse leuchten sein Angesicht über dir…“

Ebenso verhält es sich auch mit den Worten aus der Bibel, die vielen Menschen als Tauf-Konfirmations- oder Trauspruch zugesprochen wurden. Sie begleiten uns ein ganzes Leben lang, sie geben Kraft und Orientierung, Schutz, Hoffnung und Halt in guten wie in schweren Zeiten.

Worte haben Macht.  

Auch die Worte, die wir jeden Tag sprechen, haben Macht und Kraft. Darum tun wir der Welt etwas Gutes, wenn wir unsere Worte nicht nur mit Bedacht wählen, sondern immer bedenken, dass andere sie wie eine Tat empfinden.

Unsere Worte sollten also aufbauen, vielleicht sogar heilen, nicht spalten und zerstören.

Worte können alles. Böses und Gutes. Wie wir mit ihnen umgehen, entscheiden wir allein.

Musik

Kennen Sie das? Wenn Sie zu jemandem sagen: „Wir müssen reden!“ Das kann ein Familienmitglied sein, der Partner, die Partnerin, der Sohn oder die Tochter. Der Kollege, die Kollegin am Arbeitsplatz.  „Wir müssen reden!“

Da ist etwas schiefgelaufen. Nun muss darüber gesprochen werden. Klartext. Es muss geklärt, aufgeklärt werden. Manche schrecken davor zurück. Klartext. Das klingt nach Konfrontation, nach Auseinandersetzung, vielleicht sogar nach Streit.

Worte haben Wirkung. Sie können eine enorme Kraft entfalten, Macht ausüben… Ein böses Wort kann uns einen Schauer über den Rücken jagen oder erblassen lassen. Auf ein freches Wort können wir erröten, aufgrund eines schlimmen Wortes verstummen. Worte können Krieg oder Frieden bedeutet.

„Wir müssen reden“. Das gilt auch für die jüngsten Gespräche zwischen Wladimir Putin und dem neuen Bundeskanzler Scholz. Die Sorge um den Frieden in Europa treibt uns um. Besorgt beobachten wir die Bedrohung, die die russische Regierung an der Grenze zur Ukraine mit dem Aufmarsch ihrer Truppen aufgebaut hat. Hoffnungsvoll haben wir die aktuellen Nachrichten verfolgt, die von Verhandlungs-bereitschaft und einem möglichen Truppenabzug berichten.  Oder war das nur geblufft?

Unser Miteinander in Europa lebt aus nachbarschaftlichem Respekt und mit gegenseitigen Sicherheitsgarantien - wir sind eng verbunden. 

Krieg soll nach Gottes Willen nicht sein – 1948 haben sich die Gründungsmitglieder des Ökumenischen Rates der Kirchen auf ihrer ersten Vollversammlung nach dem Zweiten Weltkrieg in Amsterdam auf dieses gemeinsame Wort verständigt. 

Reden, Worte, Diplomatie, geschickte Rhetorik sind gefragt, wenn es zu einer Deeskalation kommen soll. Und das wünschen wir uns doch alle.  Bloß kein Krieg in der Welt und erst recht nicht in Europa. Die Folgen wären katastrophal.  Das wissen wir aus früheren Erfahrungen.

Ein gutes Wort zur rechten Zeit, kann wunderbar trösten, heilen und versöhnen.  Ein „du kannst das“, kann Unglaubliches bewirken und das Selbstbewusstsein stärken. Ein „ich liebe dich“ kann Glücksgefühle hervorrufen. Ein „ich verlasse dich“ ins Unglück stürzen. Selbst die Anwesenheit eines guten Wortes, einer Antwort, das Schweigen, kann eine große Wirkung entfalten.

„Wir müssen reden“. Klare, deutliche Worte können verworrene Situationen aufhellen oder klären. Dann entfalten sie eine positive Wirkung. Und verlieren ihren Schrecken.

Im günstigsten Fall ebnen sie nach einer Meinungsverschiedenheut   oder einem Missverständnis den Weg zu einer neuen Vereinbarung oder führen eine Beziehung in eine neue, tiefere Verbundenheit.

Worte haben Wirkung. Wenn es schon bei dem Wort eines anderen Menschen so ist, um wieviel mehr mag es für das Wort Gottes gelten?

„Im Anfang war das Wort“.  So beginnt das Johannes-evangelium. Und die Schöpfungsgeschichte in der Bibel ist davon geprägt, dass Gott redet. „Und Gott sprach: Es werde Licht, Gott sprach: es werde eine Feste zwischen den Wassern, oder Gott sprach: Es lasse die Erde aufgehen Gras und Kraut…“ Gott spricht und es geschieht.

Gottes Wort machte Moses zum Anführer seines Volkes und setzte die Propheten in ihren Dienst. Schließlich:  In Christus wurde das Wort Fleisch und wohnte unter uns.

Der Autor des Hebräerbriefes, aus dem die Worte des Predigttextes heute stammen, möchte seine Adressaten an diese Wirkungsmacht des Wortes Gottes erinnern. „Das Wort Gottes ist lebendig und kräftig“ schreibt er. Es hat eine große durchdringende Kraft und Wirkung.  Es scheidet Seele und Geist, sogar Mark und Bein. Der Verfasser sieht die Menschen in einer großen Krise.

Angesichts der vielen Krisen, durch die die Welt auch heute immer wieder geht, ist Gottes Wort von großer, ja entscheidender Bedeutung. Drohende Kriege, Ungerechtigkeit, Hunger, Elend und Naturkatastrophen…

Da hinein hören wir Gottes Wort, das klar und unmissverständlich ist: Frieden statt Krieg, schmiedet Schwerter in Pflugscharen um und nicht umgekehrt. Geht fürsorglich mit der Erde, die Gott uns anvertraut hat, bewahrt die Schöpfung, lasst Gerechtigkeit walten, seid gastfreundlich und teilt mit den Hungrigen das Brot. Wenn das nicht klar genug ist!? Klar und doch so schwer in die Tat umzusetzen.

Gottes Wort, das uns trifft – kräftig und lebendig, scharf wie ein zweischneidiges Schwert und uns immer wieder zur Umkehr ruft.

Da, wo es uns trifft, kann plötzlich Hoffnung aufkeimen, kann sich eine Situation klären, kann dunkel wieder hell werden, entdecken wir einen Ausweg aus einer ausweglosen Situation. Wo wir vorher nicht weiter wussten.

Weil das Wort Gottes kräftiger und lebendiger und schärfer war als die eigenen Gefühle und Gedanken es in der beklemmenden Situation sein konnten. Amen
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