Predigt im Gottesdienst am Sonntag Estomihi - 27.2.2022 in Holtorf, Pastor Seivert

Sun, 27 Feb 2022 11:02:07 +0000 von Horst Seivert

Estomihi 2022 -  aktuell zum Krieg in der Ukraine (1. Kor.13)

Liebe Gemeinde!

Die schwedische Schriftstellerin Astrid Lindgren hat uns nicht nur die Geschichten um Pippi Langstrumpf oder Kalle Blomquist hinterlassen, sondern auch ihre Kriegstagebücher.  Manches, was sie da schreibt, wirkt seltsam aktuell: „Die Menschheit hat den Verstand verloren.“ So sind ihre Gedanken und Überlegungen, die sie in den Jahren 1939-45 notierte, passsenderweise überschrieben.

„Krieg und Krieg und wieder Krieg und das ständige Leiden der Menschheit und niemals lernt sie etwas daraus. Sie begießt die Erde nur immer weiter mit Blut, Schweiß und Tränen“, klagt Lindgren.

Und nun ist es wieder geschehen. Krieg in Europa. Was wir für unmöglich gehalten haben, ist nun bittere Wahrheit geworden. Wieder sterben Menschen, verlieren alles, fliehen. Wieder Kinder, Frauen und Männer in Todesangst. Verletzung, Schmerzen, Ohnmacht.

Krieg ist das Gegenteil von dem, was Menschlichkeit bedeutet.

Können wir denn gar nichts lernen aus der Geschichte? Müssen wir immer wieder in die Hölle des Krieges hinabsteigen? Dem Rad aus Hass, Terror und Schmerz immer wieder neu Schwung geben? Es ist zum Verzweifeln.

Für die Menschen in der Ukraine, in Europa, aber auch für uns wollen wir noch mehr und besser und kraftvoller vom Frieden reden. Frieden einfordern, für Frieden beten. „Gott mache uns zu Werkzeugen deines Friedens, dass wir Liebe üben, wo man sich hasst, das wir verzeihen, wo man sich beleidigt. Dass wir verbinden, da wo Streit ist.“

Es ist bitter, dass die Diplomatie so krachend gescheitert ist, dass dieser Krieg bei allen Bemühungen nicht verhindert werden konnte. Wir hatten die Hoffnung, dass in Europa die verheerenden Kriege gegeneinander der Vergangenheit angehören. Wie sehr haben wir uns getäuscht.

„Krieg soll nach Gottes Willen nicht sein.“ So sagten es die Vertreter auf der Gründungsversammlung des ökumenischen Rates der Kirchen 1948 in Amsterdam. Dreißig Jahre nach dem Ende des 1. Weltkrieges und drei Jahre nach dem 2. Weltkrieg. Europa und der Welt steckten die Schatten des Krieges tief  in den Knochen. Und doch hatte man mit den Mitteln des Krieges einen Diktator besiegt und die Vernichtungslager befreit, Naziverbrecher dingfest gemacht. Gleichzeitig gab es unermessliches Leid, Vertreibungen, Hass, der blieb. Bis heute spürbar.

Deshalb: Krieg soll nicht sein – nach Gottes Willen. Es geht um die Frage: Was kann getan werden, um Krieg zu verhindern? Oder in diesem Fall: Wenn der Krieg bereits eskaliert ist, was kann, ja was muss getan werden, damit er so schnell wie möglich aufhört?

Die Antwort kann nur lauten: Miteinander reden, reden.  Der ukrainische Präsident Selenskyi hat es gestern in einem verzweifelten Appell an die Welt so auf den Punkt gebracht: „Lassen Sie uns zusammensitzen und reden und das Blutvergießen beenden.“

Den Gesprächsfaden nicht abreißen lassen, aufeinander  zugehen, an der  Diplomatie festhalten und sich immer wieder  darum bemühen, einander verzeihen, wenn es nötig ist, verstehen lernen, sich selbst zurücknehmen, auch wenn es schwer fällt. Lieben – so wie es am Ende des berühmten 13. Kapitels im 1. Korintherbrief heißt: „Nun aber bleiben Glaube, Hoffnung, Liebe, diese drei, aber die Liebe ist die größte unter ihnen.“

Einfach ist das nicht, mit der Liebe. Einfach war es zu keiner Zeit. Schon in den kleinen und großen Streitereien innerhalb unserer Familien, Nachbarschaften oder in der Gemeinde ist das schwer genug. Um wieviel schwieriger ist es, im Miteinander der Völker, Kulturen, Religionen Friedensstifter zu sein. Doch genau das ist es, was Gott von uns fordert: „Gottes Wort halten, Liebe üben und demütig sein vor unserem Gott“. (Micha 6,8). Und eben auch das, was Paulus über die Liebe sagt. Dass sie es ist, auf die es ankommt.

Ich stelle mir vor, was Jesus sagen würde zu diesem Krieg, ja zu jedem Krieg, den Menschen auf der Welt führen. Er würde das sagen, was er damals in der sogenannten Bergpredigt zu den Menschen schon gesagt hatte: „Selig sind die Frieden stiften, denn sie werden Gottes Kinder heißen.“ (Mt.5,9). Und er würde auch sagen: „Liebet eure Feinde. Betet für die, die euch verfolgen.“

Er selbst, Jesus, hat sich nicht dazu verführen lassen, auf Gewalt mit Gewalt zu antworten, sondern er ist den Menschen bis zuletzt, bis zu seinem letzten Atemzug, mit Liebe und Verzeihen begegnet.

Ist das naiv, lächerlich und nur dumm? So fragen sich viele, die das hören.

Ja, vielleicht ist es das. Und dennoch ist es die einzige Möglichkeit die unheilsame Spirale der Gewalt zu durchbrechen. Gewalt ist niemals die Lösung. Selbst als Jesus am Kreuz hing, hat er seinen Mördern vergeben. „Vater, vergib ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun.“

Wir müssen vom Frieden reden und endlich lernen, dass es im Krieg nur Verlierer gibt. Friedensstifter wollen wir sein und einander vergeben und lieben. Auch dann, wenn das bei manchen Menschen als naiv ankommt.

Wir tragen unsere Sorgen und Ängste vor Gott. Wir beten um Frieden. Beten hilft, Reden hilft. Aus Beten wächst Tun. Gewaltlosigkeit in Wort und Tat ist nötig. Dazu helfe uns Gott. Amen
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