Predigt im Gottesdienst am 10.7. (4. So. nach Trin.) zu Johannes 8, 3-11

Sun, 10 Jul 2022 09:15:07 +0000 von Horst Seivert

Liebe Gemeinde!

„Du bist an allem schuld!“
Sie kennen bestimmt diesen Satz, haben diese Worte nicht nur einmal gehört, oder vielleicht auch schon gesagt:  „Du bist an allem schuld!“
Ein Satz, der weh tut,  wie ein Stich ins Herz. So als würde einer mit einem Stein auf uns werfen.
Manchmal  trifft eine solche Schuldzuweisung genau das, was wir selbst fühlen: „Ja, da habe ich alles falsch gemacht, da habe ich versagt.“
Schuld ist kein beliebtes Thema, auch in der Kirche nicht. Wer gibt schon gerne zu, schuldig geworden zu sein? Und doch passiert es immer wieder in unserem Miteinander. Mit Schuld zu leben, ist schwer.  Wie schön, wenn dann einer da ist, der sagt: Komm, ich vergebe dir. Hoffentlich gehören wir auch zu den Menschen, die wir einen  solchen Satz von andern hören und  auch  zu andern sagen können. 
 
Ich möchte Ihnen die Geschichte von einer Frau vorlesen, die sich schuldig gemacht hatte und das wohl auch wusste. Von einer Frau, die schwer belastet wurde, deren Schuld aber letztlich vergeben wurde.
 
Lesung: Johannes 8,3-11,  Bild von Sieger Köder
 
„Meister, diese Frau wurde beim Ehebruch auf frischer Tat ertappt“. Mit diesen Worten bringen die Männer  die Ertappte vor Jesus. Von dem Mann, der bei diesem Ehebruch auch beteiligt war, ist nichts zu sehen. Die Frau allein wird verantwortlich gemacht. Sie hat keine Chance gegen so viele gewichtige Männer. Das Gesetz will, dass die Frau den Tod durch Steinigung erleidet – ein besonders grausamer Tod.
So bilden diese Männer zusammen mit den dunklen Schatten im Hintergrund eine undurchdringliche Mauer. Breitbeinig steht der eine am linken Bildrand da.  Mit erhobenem Zeigefinger belehrt er seinen Nebenmann. Dieser lässt mit unbeteiligter Miene die Belehrungen seines Nachbarn über sich ergehen. Er ist nur als Zuschauer gekommen.
Einer hält entsetzt die Hand vor den Mund. Vielleicht ist  er über sein eigenes Tun und Reden erschrocken. Daneben einer mit finsterem Gesichtsausdruck. Sein Nebenmann überragt alle an Größe, sein Gesicht ist hart und überheblich, seine Hand weist nach unten, so als ob er die Frau zwingen wollte, sich hinunter zu beugen.
Im Hintergrund tuscheln zwei hinter vorgehaltener Hand miteinander. Gemeinsam bilden die Männer eine undurchdringliche Mauer von Rechthaberei, Selbstgefälligkeit und Gnadenlosigkeit.
 
Die Frau in der Mitte sitzt da, als ob es die Bedrohung im Rücken nicht geben würde. Sie wirkt zerbrechlich. Schützend hält sie mit der rechten Hand ihr Gewand zusammen. Und doch ist sie offen und zugewandt, und ist bereit, sich dem Gegenüber entgegenzustrecken.
Aufmerksam  und offenen Blickes  schaut sie nach vorne auf den, dessen Hand überdimensional vor ihr in den Sand schreibt. Diese Hand ist mächtiger als die kleine Hand, die parallel dazu ins Bild ragt und bereits einen Stein für die Frau  bereit  hält. Erhobenen Hauptes schaut die Frau auf Jesus. Das Licht, das von ihm auf sie fällt, scheint sie zu schützen. Die Männer haben es nicht geschafft, sie zu beugen.
 
Eigentlich geht es gar nicht um die Frau. Jesus soll auf die Probe gestellt werden. Nicht um sich bei Jesus einen Rat zu holen, sind die Männer zu ihm gekommen. Sie suchen einen Grund, um ihn zu verklagen. Jesus weiß, dass sie ihm eine Falle stellen wollen. Er bückt sich und schreibt mit dem Finger auf die Erde.
Es ist viel gerätselt worden, was Jesus da geschrieben hat. Aus dem Evangelium erfahren wir es nicht. Der Künstler, Sieger Köder, lässt Jesus in seiner künstlerischen Freiheit das Wort Shalom auf die Erde schreiben. Also: Frieden. Das macht doch Sinn, nicht wahr? Shalom, Frieden – das ist eine Antwort und ein Angebot in dieser Situation. Shalom greift den Gedanken der Wiedergutmachung auf. Shalom durchbricht den gnadenlosen Kreislauf.
 
Zu dem Geschriebenen kommt nun auch das Gesprochene. Jesus sagt zu den Männern: „Wer unter euch ohne Sünde ist, der werfe den ersten Stein auf sie!“
Damit gibt Jesus die Anklage der Männer als Anfrage an ihr eigenes Leben zurück und wohl auch an uns. „Wer unter euch ohne Sünde ist…“
Jesus kennt die Menschen ganz gut, und in dem Moment, in dem er diese Worte sagt, weiß er: Wenn sie  ehrlich sind, dann darf keiner einen Stein werfen, denn sie alle haben Schuld auf sich geladen.
Damals und heute auch.
Es muss niemand denken: „Nur ich habe so etwas getan, die andern aber sind ohne Fehl und Tadel. Nein, jeder Mensch, der lebt, lädt Schuld auf sich, der eine so, der andere so, der eine mehr, der andere weniger, aber keiner ist ohne Schuld.
 
Die Worte, die Jesus hier sagt, wirken sofort. Die  Männer haben verstanden. Einer nach dem anderen gehen sie fort, zuerst die Ältesten.
Jesus hat ihnen einen Spiegel vorgehalten und sie haben sich erkannt als Schuldige, die nicht das Recht haben über andere zu richten.
 
Nun ist Jesus allein mit der Frau. Befreiende Worte sagt er zu ihr: „Ich verdamme dich auch nicht, geh hin und sündige hinfort nicht mehr!“
Auch wir dürfen darauf vertrauen, dass er solche befreienden Worte zu uns sagt, wenn wir ihm von dem erzählen, was wir falsch gemacht haben. 
Sagen wir ihm, wo wir schuldig geworden sind, dann wird er  uns so wenig verdammen, wie er die Frau verdammt hat.
So ist Gott: barmherzig und gnädig, voller Güte. Seine Worte sprechen uns Vergebung zu.
Gott beschwichtigt nicht, was geschehen ist. Schuld bleibt Schuld. Aber Jesus geht anders damit um, als wir es gewohnt sind. Er verzeiht, was Menschen vielleicht nicht verzeihen können. Er eröffnet der Frau eine neue Zukunft, ein Morgen ohne die Last der Schuld von Gestern und Vorgestern.
Nicht anders ist Gott zu uns. Wenn wir ihm sagen, wie wir sind, wird er uns nicht richten, sondern erretten.
Ob wir bereit sind daraus zu lernen? Uns selbst gegenüber gnädiger zu werden? Und auch anderen gegenüber?
Das wäre schön! Amen
Bestätigen

Bist du sicher?