Caspar David Friedrich ist der bedeutendsten Maler der Frühromantik. Manche sehen ihn neben Albrecht Dürer und Gerhard Richter als den wichtigsten Maler, den Deutschland hervorgebracht hat. Geboren wurde er am 5.09. 1774, also vor 250 Jahren, gestorben ist er 1840 in Dresden. Caspar David Friedrich wurde protestantisch erzogen und hat aus seinem Glauben an Gott nie einen Hehl gemacht. Die Verbindung von Natur und Glaube war ihm stets wichtig. Auch in seinen Bildern.
Liebe Gemeinde!
Berlin 1810. Ein Vater nimmt seinen 15-jährigen Sohn mit in eine Kunstausstellung. Als die beiden vor dem Bild stehen, das Sie als Karte bekommen haben, überrascht der Sohn den Vater nicht schlecht. Denn er fragt: „Papa, kaufst du mir dieses Bild?“ Der Vater staunt sehr über diese Frage. Der Sohn weiter: „Das Bild tröstet mich.“ Der Junge hatte zwei Monate vorher seine Mutter verloren. Der Vater kauft das Bild. Der Sohn trennt sich sein Leben lang nicht mehr von dem „Mönch am Meer“. So heißt nämlich das Bild. Er nahm es überall hin mit. Es wurde für ihn zu einem Begleiter in allen Lebenslagen.
Aber warum tröstet dieses Bild? Ich bin mir nicht sicher. Ich frage Sie, wie sehen Sie dieses Bild? Auf mich macht es einen ruhigen Gesamteindruck. Das viele Blau empfinde ich angenehm. Das Meer erscheint düster. Dafür reißt oben die Wolkendecke auf und gibt den Blick frei auf helles Himmelblau. Im Ganzen sieht das Bild leer aus. Kein Weg. Kein Baum, kein Haus. Der Himmel ist unglaublich weit. Er macht vier Fünftel des Bildes aus. Am beigefarbenen Sand, an der höchsten Stelle der Linie, steht jemand. Es ist ein Mönch, verrät der Titel des Bildes: „Mönch am Meer“. Es könnte auch anders heißen, etwa: „Einsamkeit“, oder „Stille“, oder wie der Song von Udo Lindenberg: „Hinterm Horizont geht’s weiter“.
Warum tröstet dieses Bild? Vielleicht hat den Jungen, der dieses Bild unbedingt haben wollte, dieses Alleinsein angezogen? Man kann sich manchmal sehr einsam fühlen im Leben. Da tut es gut, zu sehen, dass es einem anderen auch so gehen kann. Sogar diesem Mönch, der die Einsamkeit in seinem Leben erwählt hat. Mönche leben in Klöstern. Klöster sind über die Jahrhunderte die Einrichtungen, in denen jeden Tag gebetet wird. Zu festen Gebetszeiten. Mönche und Nonnen halten die Gebete lebendig. Dahinter steckt die Erfahrung, dass es das gibt: Der Mensch spricht. Und Gott hört. Aber auch andersherum: Gott spricht und der Mensch hört.
Der Mönch schaut in die Weite. Den Wind zu spüren, tut ihm gut. Den gleichmäßigen Rhythmus der Wellen zu hören, die an Land aufschlagen. Stille. Einatmen. Ausatmen. Den Blick zum Himmel gewandt. Es gibt noch etwas Größeres als meine Last. Etwas Gewaltigeres als mich beschwert. Dahin richte ich meine Fragen: Bist du da Gott? Hörst du mich?
Wer weiß, vielleicht war es diese Sehnsucht nach Gott, nach Geborgenheit, nach einer sicheren Anlaufstelle, die der 15-jährige damals im Berliner Museum in diesem Bild gesehen hat. Es ist nicht das kalte All, das einen umgibt, sondern die Weite Gottes. Die Geborgenheit bei dem, der Himmel und Erde gemacht hat.
Martin Luther hat den Gottesdienst so beschrieben: Gottesdienst ist ein Geschehen des Redens und Hörens zwischen Menschen und Gott. Im Gottesdienst – so sagt Martin Luther, solle „nichts anderes geschehen, als dass unser lieber Herr mit uns rede durch sein heiliges Wort und wir wiederum ihm antworten in Gebet und Lobgesang.“
Gerade das führt in die Weite. Es lässt Gott als den schauen, der das eigene Leben trägt. Der hilft, der rettet. In dem Psalm heißt es: „Gott ist unsere Zuversicht und Stärke, eine Hilfe in den großen Nöten, die uns getroffen haben. Darum fürchten wir uns nicht, wenngleich die Welt unterginge und die Berge mitten ins Meer sänken, wenngleich das Meer wütete und wallte und von seinem Ungestüm die Berge einfielen.“
Das sind Verse aus dem Reformationspsalm, Psalm 46. Den hat Martin Luther seinem Reformationslied „Ein feste Burg ist unser Gott“ zugrunde gelegt. Aber das ist eine andere Geschichte.
Der junge Mann, der damals in Berlin wie vom Donner gerührt vor diesem Bild stand, war übrigens der Kronprinz Friedrich Wilhelm IV. Seine Mutter war Königin Luise, die am 19.Juli 1810 im Alter von 34 Jahren starb. Drei Monate später kaufte der Vater seinem Sohn dieses Bild. Es hing bis zu seinem Tod in seinem Schlafzimmer. Das Bild ist mit das berühmteste, das Caspar David Friedrich gemalt hat.
Was meinen Sie? Ich meine im Rauschen der Wellen kann man auch diesen Grundrhythmus des Lebens hören, der so viel von der Sehnsucht der Menschen in sich trägt, der Sehnsucht nach Gott. Dass der Mensch spricht und Gott hört. Und dass Gott spricht und der Mensch hört. Wie heißt es in dem Psalm: „Darum fürchten wir uns nicht.“ Amen