7. So. n. T. Johannes 6,1-15
Liebe Gemeinde!
Fünf Brote und zwei Fische – und 5.000 Menschen wurden satt, erzählt der Evangelist Johannes. Auch die anderen Evangelisten, Matthäus und Markus berichten davon!
Nicht möglich! Sagen viele spontan! Ein Märchen! Eine schöne Fantasie! Ein Wunder!
„Wunder gibt es immer wieder“. So sang Katja Ebstein in ihrem Lied vor einigen Jahrzehnten. Ja, das ist wahr. Es gibt sie, die Wunder, aber kann man Wunder erklären?
Ich denke nicht. Könnte man es, dann wäre es keines mehr. Die Geschichte von der Speisung der 5000 Männer, Frauen und Kinder nicht mitgerechnet, ist wohl ein Wunder, für das man keine Erklärung hat.
Oder vielleicht doch?
Ich muss an die einfachen Bauern denken, die früher in unserer Gegend hier in Norddeutschland lebten. Wenn sie in den Gottesdienst gingen und dort die Messe auf Latein hörten, dann verstanden sie bei den Einsetzungsworten zum Abendmahl, die der Priester auf Latein sprach und die so lauteten: „ Hoc est corpus meus“, übersetzt ins Deutsche: Dies ist mein Leib“, nur Hokuspokus. Das Wunder der Wandlung im Abendmahl hatte für sie etwas Geheimnisvolles, war nahezu Zauberei.
Ist die Speisung der 5000 also auch Hokuspokus, oder können wir nicht doch einen Weg finden, dem Wunder auf die Spur zu kommen? Wie also könnte das gewesen sein?
Denken wir doch alle einmal darüber bei einer ruhigen Orgelmusik nach….
(Wer mag, kann sich jetzt dazu spontan äußern…)
Stellen wir uns die Menschen einmal vor, die von Jesus gehört hatten, von seiner liebevollen Rede von Gott, seinen Gleich-nissen, die er erzählte, seinen Zeichen und Heilungen. Nun war er in ihrer Gegend und sie wollten mit eigenen Augen sehen, was sie bisher nur von anderen gehört hatten. Sie waren von ihm begeistert – sonst wären sie ihm ja nicht in so großer Zahl gefolgt – sie hatten aber nicht ihren gesunden Menschenverstand verloren.
Denn: keiner von ihnen würde sich so weit von zu Hause wegbegeben, um einen Mann von Gott reden zu hören, ohne Proviant einzustecken. Ein Stück Brot, etwas Käse, vielleicht einige Oliven, Wasser und Wein. All das war sicherlich schnell in eine Tasche gepackt worden, bevor man aufbrach, um den wundersamen Mann zu hören und zu sehen.
Und dann werden sie in kleinen Gruppen zusammengesessen haben. Sie werden ihn gehört haben, wie er von Gottes Reich gesprochen hat, in dem Gerechtigkeit herrscht. In dem alle satt werden und die Sehnsucht der Menschen nach Zugehörigkeit und Zuversicht gestillt wird. Und da wird Hoffnung wach, da wird auch das Mitgefühl geweckt und die Menschen verstehen: Was ich in meiner Tasche habe, reicht, das kann ich mit anderen teilen. Denn wir gehören zusammen als Geschwister einer großen Familie, als Kinder eines Gottes, der liebt.
Ist das nicht das viel größere Wunder? Nicht mehr ängstlich darauf bedacht, ob ich wohl auch selbst genug habe, sondern mit offenen Händen teilen, geben und nehmen?
Und Jesus? Vielleicht hat er dort mit seinen Jüngern gesessen und freudig gesehen, was er bewirkt hat. Vielleicht hat er mit seinen Worten und Taten dem Wunder leise die Hand hingehalten, wie Hilde Domin das später in ihrem Gedicht sagen wird: „Nicht müde werden, sondern dem Wunder leise wie einem Vogel die Hand hinhalten.“
Und es ist eingetreten, das Wunder des Teilens, so vielmehr als Hokuspokus. Enge Herzen werden weit, verschlossene Hände öffnen sich, Menschen werden satt an Leib und Seele.
Wer so etwas selbst einmal erlebt hat, dem fällt es nicht mehr schwer, an Wunder zu glauben.
Heute wächst der Hunger in der Welt wieder, Menschen sind auf der Flucht, es gibt Kriege, totalitäre Regime gewinnen an Einfluss. Der Blick in die Zukunft unseres ausgeplünderten Planeten raubt vielen Menschen den Schlaf.
Angesichts so vieler Probleme bleibt der Menschheit nichts anders übrig, als miteinander zu teilen.
Der Evangelist Johannes berichtet aber nicht nur davon, wie fünftausend Menschen damals satt wurden. Er erzählt auch etwas Rätselhaftes: Zwölf Körbe wurden mit Brocken, mit Brotresten gefüllt, die übrig geblieben waren. In der Sprache der Bibel bedeutet das: Es reicht auch für die anderen. Für die, die nicht dabei waren. Für die, die später leben würden – so wie wir. Diese Reste sind ein Zeichen dafür, dass sich immer wieder neue Wunder ereignen können, wenn Menschen Gott ihre Herzen öffnen.
Ob das auch uns gilt? Dass solch ein Wunder sich ereignen kann? Ich hoffe und glaube: Ja! Wunder können uns überraschen und müssen nicht immer spektakulär oder gar übernatürlich sein.
„Wunder gibt es immer wieder“.
Ich jedenfalls möchte nicht aufhören, daran zu glauben, dass Gott Wunder bewirken kann, auch heute noch. Ich möchte weiter davon träumen, dass eine bessere Welt möglich ist: Dass Menschen miteinander teilen und miteinander singen. Dass Menschen spüren: Wir sind alle Gottes Kinder und gehen gemeinsam durchs Leben: Als Geschwister in der Nähe und in der Ferne teilen wir, was Gott uns anvertraut hat. Ich weiß: Das klingt wie ein Traum. Aber wer mit Gott rechnet, der darf mit allem rechnen, auch mit dem Besten.
Amen