Predigt im Gottesdienst am Sonntag Okuli (12.03.2023), Pastor Seivert

Sun, 12 Mar 2023 08:10:34 +0000 von Horst Seivert

Okuli 2023 –  Luk.22,47-53

Lieder: 12 (Freitöne), 98, 391,409, 168,4-6

Als er aber noch redete, siehe, da kam eine Schar; und einer von den Zwölfen, der mit dem Namen Judas, ging vor ihnen her und nahte sich Jesus, um ihn zu küssen. Jesus aber sprach zu ihm: Judas, verrätst du den Menschensohn mit einem Kuss? Als aber, die um ihn waren, sahen, was geschehen würde, sprachen sie: Herr, sollen wir mit dem Schwert dreinschlagen? Und einer von ihnen schlug nach dem Knecht des Hohenpriesters und hieb ihm sein rechtes Ohr ab. Da sprach Jesus: Lasst ab! Nicht weiter! Und er rührte sein Ohr an und heilte ihn. Jesus aber sprach zu den Hohenpriestern und Hauptleuten des Tempels und den Ältesten, die zu ihm hergekommen waren: Ihr seid wie gegen einen Räuber mit Schwertern und mit Stangen ausgezogen? Ich bin täglich bei euch im Tempel gewesen, und ihr habt nicht Hand an mich gelegt. Aber dies ist eure Stunde und die Macht der Finsternis.

Liebe Gemeinde!

Einmal fiel mir im Flur eines Hauses, in dem ich zu Besuch war, ein Schild an der Wand auf. Darauf waren Sätze zu lesen,  aus denen man auf das Miteinander der Familienmitglieder schließen konnte. Der Text lautete: 

„In diesem Haus sind wir eine Familie. Wir lieben einander und verteilen großzügig Umarmungen. Wir lächeln und lachen viel. Wir respektieren einander und sagen immer die Wahrheit. Wir geben niemals auf und halten unsere Versprechen. Wir vergeben einander, auch, wenn das hart ist. Wir haben große Träume.“

Schöne Sätze sind das, nicht wahr?
Fast zu schön, um wahr zu sein. Denn sie spiegeln ein Idealbild von Familie, das es so nicht gibt. Es klingt nach paradiesischer Harmonie.                      

Meine Erfahrungen sind eher, dass es in unseren Familien oft anders zugeht. Da wird auch gestritten und manchmal fliegen die Fetzen. Jemand ist schlecht drauf und lässt seine Laune an anderen aus. Es gibt Neid und Missgunst unter Geschwistern. Und obwohl das niemand will, entstehen manchmal Verletzungen.

Also: Das Schild mit den schönen Sätzen hängen sich Familien vermutlich in ihren Fluren auf, um sich an ihr Ideal zu erinnern. Perfekte Familien, zusammengesetzt aus perfekten Menschen, sind eine Träumerei.

Für Jesus waren die Jünger seine Familie. Zusammen waren sie eine enge Gemeinschaft, sie zogen umher, waren aufeinander angewiesen. Und auch bei ihnen gab es Streit und Machtkämpfe. Einmal stritten die Jünger darum, wer von ihnen zur Rechten und zur Linken Jesu sitzen sollte. Kurz vor Jesu Tod dann, kommt die dunkle Seite der meisten von ihnen zutage. Judas verrät Jesus durch einen Kuss, Petrus verleugnet ihn mehrmals und die anderen Jünger machen sich vor lauter Angst erstmal aus dem Staub. Und unter dem Kreuz halten nur Maria Magdalena und   Johannes mit Jesus aus. Die Jünger sind sich bewusst, wie schnell sie sich selbst in Schuld verstricken können.

Auch in unserem Alltag ist das häufig so, dass wir schlecht über andere denken und urteilen aufgrund von Vermutungen, oder den anderen, oder die anderen gar verraten.

Der heutige Sonntag heißt Okuli. Er zitiert damit auf Latein einen Vers aus dem 25. Psalm: „Meine Augen sehen stets auf den Herrn.“

Wenn wir auf Jesus schauen, sehen wir einen Menschen an einem Tiefpunkt seines Lebens. Gottes Sohn wird nichts erspart, auch der Verrat nicht. Trotzdem bleibt er ruhig. Er nimmt die Situation so an, wie sie ist. Nachdem einem Knecht des Hohepriesters das Ohr abgehauen wird, heilt er die Wunde wieder und mahnt zur Deeskalation: „Lasst ab von der Gewalt, macht nicht weiter so“.

Auf Jesus schauen heißt in diesem Zusammenhang also eine schwierige Situation aushalten zu können. Nicht dreinschlagen, auf Gewalt nicht wieder mit Gewalt reagieren, sondern zu vertrauen, dass mit Ruhe alles letztlich gut ausgehen wird.

Wie sehr würden wir uns das in der gegenwärtigen Situation des furchtbaren Krieges in der Ukraine und auch an anderen Orten der Welt wünschen. Wir sollten nicht aufhören, dafür zu beten!

Eine Lehrerin erzählte einmal, sie habe den Kindern in der Grundschule die Geschichte von der Kreuzigung Jesu erzählt. Das tue sie jedes Jahr vor Ostern. „Schließlich sollen die Kinder wissen, was an Ostern gefeiert wird“, sagte sie. „Und die Auferstehung ist nun mal nicht ohne Kreuz und Tod zu haben. „Ich bin“, sagte sie, „davon ausgegangen, dass alle Kinder die Geschichte grob kennen. Das war bisher immer so. Aber dieses Mal nicht. Mit großen Augen saß ein Mädchen da und sagte immer wieder: Das können die doch nicht machen. Die dürfen ihn doch nicht fangen und töten. Zum Glück saß eine Freundin neben ihr, die ihr sanft den Arm um die Schulter legte und ihr immer wieder sagte: Keine Angst, die Geschichte geht gut aus. Dieses Mädchen kannte schon die Ostergeschichte und wusste, dass sie gut ausgeht“.

Wir erleben es immer wieder, dass die Finsternis Macht hat und Macht ergreift: im persönlichen Leben und auf der politischen Bühne, im Beruf…kann fast alles sowohl zum Guten als auch zum Schlechten ausgehen.

Wenn wir die Augen auf Gott richten, dann setzen wir den finsteren Mächten zumindest innerlich etwas dagegen. Das kommt uns manchmal ziemlich wenig vor. Und trotzdem ist es ein Lichtschein aus einer anderen Welt, auf die wir gemeinsam hoffen.

Schauen wir also nicht nur auf die Nachrichten oder die Krankheitsdiagnosen, die können uns so richtig herunterziehen, sondern schauen wir auf Gott, unser Licht, und halten sie damit aus, die Zeiten der Finsternis und des Bösen.

„Meine Augen sehen stets auf den Herrn, denn er wird meine Füße aus dem Fangnetz ziehen, Herr, wende dich zu mir und sei mir gnädig, denn ich bin einsam und im Leid gebeugt…Lass mich frei werden von allem, was mir Angst macht.“

Gott gebe uns die Gnade, so beten zu können. Amen
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