Predigt im Gottesdienst zur Jubelkonfirmation am 18.8.24, Pastor Horst Seivert

Sun, 18 Aug 2024 06:29:07 +0000 von Horst Seivert

Jubelkonfirmation 2025 zu Psalm 90. A.

„Herr, du bist unsere Zuflucht Jahr um Jahr. Ehe die Berge entstanden und die Erde und die Welt geschaffen wurden, bist du gewesen und bist Gott von einer Ewigkeit zur anderen. Du lässt die Menschen sterben und rufst sie zurück: Kommt wieder, Menschenkinder! Denn tausend Jahre sind für dich wie der Tag, der gestern vergangen ist, wie ein paar Stunden in der Nacht. Du säst Menschen aus in die Welt Jahr um Jahr. Wie das Gras, das nachwächst, kommen sie aus deiner Hand. Wie Gras, das in der Morgenfrühe aufwächst und blüht und am Abend welk wird und verdorrt…. Ja, unsere Tage treiben dahin. Unsere Jahre verhallen wie ein Seufzer. Unser Leben dauert 70, wenn es hochkommt, 80 Jahre. Und was sein Stolz ist, ist Mühsal gewesen. Denn in eilender Fahrt saust es vorüber, wie im Fluge treiben wir dahin“. (Psalm 90)

 Liebe Gemeinde!

„Ich lebe mein Leben in wachsenden Ringen“ dichtete Rainer Maria Rilke in einem bekannten Gedicht.

Wie ein Baum, der mit den Jahren wächst, sich nährt von dem, was der Himmel regnen lässt, sich immer tiefer verwurzelnd nach oben streckt, so ist der Mensch: Jahr für Jahr wachsen wir weiter, werden größer und kräftiger.  Aus dem schmalen Konfirmanden von einst ist ein großer Mann geworden. Und aus der kleinen Konfirmandin eine lebenserfahrene Frau.

Wir werden genährt und aufgezogen, erzogen und gebildet von Eltern, Lehrern, Menschen, die es gut mit uns meinen. Wir wachsen nicht nur äußerlich, sondern auch innerlich, genährt von Liebe, und Zuwendung. Wir verwurzeln uns am Ort, wo wir leben, im Beruf, in der Familie. Und wir strecken uns wie ein Baum nach dem Licht, haben Ziele im Leben, suchen nach Glück, nach einem gelingenden Leben.

Auf dem Liedblatt sehen Sie einen Baumstamm im Querschnitt. An der Anzahl der Ringe kann man das Alter ablesen. Am Abstand zwischen den Ringen die Wachstumsschübe: große Abstände zeugen von guten, regenreichen Jahren, während die schmaleren Abstände an die Jahre mit weniger guten Lebensumständen erinnern.

Wie bei den Bäumen legt sich auch bei uns ein Jahresring über den anderen. Was im Alter von 14 Jahren einmal wichtig war, Träume oder Sorgen, das ist inzwischen überlagert von den Aufgaben, Freuden und Sorgen anderer Jahre.

So unterschiedlich und einzigartig wie die verschiedenen Bäume, sind unsere persönlichen Biografien. In jedem Leben wird es Schönes und Schweres gegeben haben und in beidem auch Wachstum. Leben ist Wachsen, es sind Erfahrungen, die sich ansammeln wie die Ringe an den Bäumen.

50, 60, 65, 70, 75 Jahre sind seit der Konfirmation vergangen.  Niemand weiß wie viele Jahresringe sich noch um unser Leben legen werden, ob es gute oder schwere Jahre werden.

„Ich lebe mein Leben in wachsenden Ringen, die sich über die Dinge ziehn. Ich werde den letzten vielleicht nicht vollbringen, aber versuchen will ich ihn“ So dichtete Rilke. Er möchte versuchen bis zum Schluss zu wachsen. 

Laufen, lernen, lieben, lachen – auf diese Formel bringen Altersforscher das Geheimnis für ein glückliches Älterwerden. In Bewegung bleiben, lebenslang lernen, Beziehungen pflegen, sich freuen können am Leben: Laufen, Lernen, Lieben, Lachen.  Ich würde noch ein fünftes L hinzufügen: das Loben. Zum Beispiel mit diesem Gebet aus Psalm 90: „Herr, du bist unsere Zuflucht für und für. Ehe denn die Berge wurden und die Erde und die Welt geschaffen wurde, bist du, Gott, von Ewigkeit zu Ewigkeit.“

Von sich selbst wegblicken und nach oben zu Gott zu schauen, der uns alles gibt und ermöglicht. Wir müssen nicht ständig um uns selbst kreisen in unserem Planen und Sorgen. Im Loben lernen wir um einen anderen zu kreisen.

Rilke schreibt: „Ich kreise um Gott, um den uralten Traum. Ich kreise jahrtausendelang.“  Jahrtausende - das sind die Dimensionen Gottes. In dem eben zitierten Psalm 90 heißt es: „Denn tausend Jahre sind vor dir wie der Tag, der gestern vergangen ist.“

Was kann das für unser Leben heißen? Doch nur dieses: Unser Leben verändert sich ständig, manchmal kreisen wir  wie ein Falke, der ruhig seine Bahnen durch die Lüfte zieht, manchmal unruhig alles durcheinander wirbelnd wie ein Sturm und ein anders Mal ganz im Einverständnis mit uns selbst und der Welt, wie ein einziger großer Gesang. Gott aber ist die Konstante, die bleibt.

„Ich weiß es noch nicht“, schreibt Rilke. Vielleicht ist dieser Satz auch unser Satz. Ich weiß es noch nicht, wie es werden wird. Auch mein Glaube, mein Gottvertrauen wird ein Kreisen sein, ein Suchen bleiben bis zum Lebensende, mal ruhig, mal aufbrausend, mal alles in Frage stellend, mal dankend und lobend. 

Am Ende werden alle unsere Lebenskreise ganz einmalig gewesen sein – wie bei einem Baum. Und nur Gott kann sie lesen und aufbewahren in seiner Ewigkeit. Amen
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