Gottesdienst Rogate

Mon, 18 May 2020 09:50:38 +0000 von Horst Seivert

Predigt am Sonntag Rogate (17.5.20)
Von Pastor Seivert

Die ehemalige Bischöfin Margot Käßmann weiß, was ihr fehlt, wenn ihr die eigenen Worte fehlen: Ein Gebet. Nicht  irgendeines, sondern das Vaterunser. Für Frau Käßmann genau das Gebet in schwierigen Zeiten. Damit steht sie nicht alleine da. Gerade jetzt, wo es so viele Einschränkungen wegen der Corona- Pandemie gibt, wir monatelang auf die körperliche Gemeinschaft verzichten mussten, doch nicht auf die im Geiste. Da sind wir weiterhin miteinander verbunden.



Gott sei es gedankt, dass diese Regeln nun nach und nach gelockert werden. Wir dürfen uns seit voriger Woche wieder zum Gottesdienst versammeln und  gemeinsam beten, natürlich immer noch unter strengen Regeln.                                                                                                       
Hände waschen ist eine dieser wichtigen Regeln. Gründlich und nicht zu kurz soll es sein. Einige sagen, so lange sollen wir uns die Hände waschen, wie es dauert,  zweimal  hintereinander „happy birthday“  zu singen. Und ich sage heute: So lange wie es dauert, bis wir einmal das  Vaterunser beten. Denn,  wer sich wirklich sicher sein möchte, seine Hände auch ausreichernd  gesäubert zu haben, sollte sich etwa 30 Sekunden dazu Zeit nehmen. So lange dauert es nämlich,  das Vaterunser zu beten.  Probieren Sie es doch zu Hause einmal aus!



Was ist das Vaterunser für ein Gebet, wo kommt es her? Das Vaterunser ist nicht irgendein Gebet, es ist das Gebet, das 2,3 Milliarden Christinnen und Christen weltweit konfessionsübergreifend  miteinander verbindet. Es fehlt in fast keinem Gottesdienst. Es  gehört, neben dem Segen am Schluss, zu den Höhepunkten  des  Gottesdienstes. Auch  auf dem Friedhof, bei Beerdigungen, darf es nicht fehlen.                                                                                 



Das Vaterunser prägt wie kein anderes Gebet das Wertesystem der christlichen Welt. Es ist das Gebet, welches auf Christus selbst zurückgeht. Es ist Teil der Bergpredigt aus dem 6. Kapitel des Matthäusevangeliums.



Vor allen Pflichten, vor allen Aufgaben und  Geschäften, sollte das Gebet, das Reden mit Gott stehen. Wir dürfen und sollen Gott alles sagen. Unseren Dank, unsere Bitte,  auch die Klage  und unsere Sorge und  auch die Fürbitte für andere nicht vergessen.  So ermahnt uns der Apostel Paulus heute in der  Epistel dieses Sonntages  Rogate:  „So ermahne ich nun, dass man vor allen Dingen tue Bitte, Gebet, Fürbitte und Danksagung für alle Menschen…“



Da  sind die Landwirte, da sind die Hobbygärtner, die auch gerade jetzt  wieder unter der sich mehr und mehr ausbreitenden Trockenheit  stöhnen. Es wird dringend Wasser gebraucht.  Sie bitten Gott um Regen. Da ist der  Familienvater, der aufgrund der Corona-Krise zur Kurzarbeit heimgeschickt worden ist. Nun fragt er sich, ob er seine Familie noch ausreichend  ernähren kann. Da ist die kranke Frau, die schon so oft operiert und therapiert wurde und nur noch eine Sehnsucht hat: „Heile mich, Gott, von meiner Krankheit.“



Etwas von Gott zu erbitten ist zutiefst menschlich. Dazu ermutigt uns die Bibel immer wieder.



Davon, von dem Gebet nämlich, lebt unser Glaube. Der jüdische Philosoph Martin Buber hat einmal gesagt: „Wäre Gott nur einer, über den man reden kann, würde ich nicht glauben. Weil er aber ein Gott ist, zu dem und mit dem man reden kann, darum glaube ich an ihn.“



Doch wie beten wir richtig? Genau diese Frage haben die Jünger einmal  Jesus  gestellt. Wie geht beten?  Den Jüngern ging es offenbar auch so wie uns. Dass  sie manchmal, nicht wussten, was und wie sie beten sollten.  „Nicht so sollt ihr es machen, wie die Heuchler“ ,  sagt er,  „die beten und  viele Worte machen und sich dabei nur den Leuten zeigen wollen. Euer himmlischer Vater weiß, was ihr braucht.“ 



Und dann gibt er ihnen das Vaterunser an die Hand.



Ich möchte dieses Gebet mit einem Geländer vergleichen. An einem Geländer  kann man sich festhalten, damit man nicht  zu Fall kommt. Daran kommt man weiter, man rutscht nicht ab.



Ich fasse das Vaterunser einmal  kurz so zusammen: Die Welt ist nicht in unserer Hand. Und auch diejenigen sind nicht in unserer Hand, die wir lieben, sosehr wir uns auch um sie sorgen. Sie sind nicht in unserer Hand. Ich selbst bin nicht in meiner Hand. Aber da ist etwas, vielmehr, das ist jemand:  Gott, den wir als unseren Vater,  aber gewiss auch als unsere Mutter nennen dürfen,  da ist der Himmel,  da ist Vergebung und  Erlösung.  Wir  nennen und  heiligen, also ehren,  Gottes Namen, wir bitten, dass sein Reich komme und unter uns wohne, ein Reich des Friedens und der Gerechtigkeit. Tag für Tag geschehe sein Wille. Tag für Tag gibt er uns unser tägliches Brot, also all das, was wir zum Leben brauchen, auch Freundschaft, gute  Nachbarn, Gesundheit und Frieden, wie es Martin Luther in seinem Kleinen Katechismus  sagt. Und er vergibt uns,  wo wir  schuldig geworden sind. Gleichzeitig erwartet er von uns, dass wir uns auch gegenseitig unsere Schuld vergeben sollen… Gott ist größer als wir. Von ihm kommen wir. Zu ihm gehen wir. Er weiß, was gut für uns ist, noch bevor wir ihn darum  bitten.



Schließlich: Beten kann auch sein: Etwas zu tun. Beten und Tun gehören nämlich zusammen. Die alte mönchische Benediktinerregel  lautet: Ora et labora, das ist lateinisch und bedeutet: Bete und arbeite. Beides zusammen  wird uns zum Segen.



Von einer jungen Frau las ich einmal, wie stolz sie auf ein kleines Erbstück ihrer  Oma war. Ein Fingerhut mit eben dieser Inschrift: Ora et labora.



Eine weise Regel,  wie ich finde. Kontemplation und Aktion. Beides brauchen wir.  Das Gebet ist eine Kraftquelle für unsere Arbeit, für unser ganzes Leben. Dazu helfe uns Gott! Amen
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