Predigttext: Jesaja 63, 15-64,3 i. A.
Gott, blick vom Himmel herab und sieh her von deiner heiligen herrlichen Wohnung! Wo ist dein leidenschaftlicher Eifer und deine Macht, dein großes Mitleid und dein Erbarmen? Halte dich nicht von uns fern! Du bist doch unser Vater. Unser Erlöser von jeher wirst du genannt. Seit Menschengedenken hat man noch nie vernommen, kein Ohr hat gehört, kein Auge gesehen, dass es einen Gott gibt außer dir, der denen Gutes tut, die auf ihn hoffen.
Liebe Gemeinde!
Nichts ist beständiger als der Wandel, mit anderen Worten, nichts bleibt wie es ist, alles verändert sich, alles ist im Fluss, wie es schon der griechische Philosoph Heraklit gesagt hat –pantha rhei.
Wir selberstellen fest, dass wir unübersehbar älter werden, jeder und jede von uns. Familiäre Situationen verändern sich, die Kinder werden groß und selbstständig, die Eltern, oder der Partner stehen am Lebensende oder sind bereits verstorben. Stellen werden gewechselt, es gibt Umzüge in andere Orte, neue Einsichten wachsen, manche Einsicht erweist sich als überholt.
Alles verändert sich gerade in dieser Zeit, manche sagen auch, in dieser verrückten Zeit. Fast zwei Jahre dauert schon diese Pandemie. An sehr vieles mussten wir uns gewöhnen, über manches haben wir uns auch geärgert und tun es immer noch. Was heute gilt, ist morgen schon wieder Schnee von gestern. Unsicherheit macht sich breit, auch Wut bei vielen. „Die Haut ist dünner geworden“, konnte ich neulich in einem Kommentar zur Lage lesen. In der Tat: Viele rasten bei der kleinsten Kleinigkeit aus, vergessen ihre Manieren, pöbeln sich an, beschimpfen, beleidigen und bedrohen sich in den sozialen Medien, aber auch direkt.
Unbeständigkeit verunsichert ganz schön, macht Angst. Das war schon immer so.
Worauf kann man sich noch verlassen? Die Antwort lautet bei vielen: Auf nichts mehr.
Aber es gilt auch: Nichts ist beständiger als der Wandel. Heute leben wir unter anderen Bedingungen als noch vor 20 oder 30 Jahren, und die Welt wandelt sich weiter. Die Zukunft wird unsicherer, weil sie schwerer kalkulierbar ist. Wie entwickeln sich die Lebensbedingungen in unseren Dörfern und Städten? Wie lassen sich Familie und Beruf vereinbaren? Schaffen wir ein gutes Miteinander der Generationen? Wird es gelingen, Flüchtlinge in unsere Gesellschaft zu integrieren? Wie ist das mit dem Klimawandel, werden wir die ehrgeizigen Ziele, zur Co- 2 Reduzierung erreichen? Was wird aus Europa und seinen Werten, und welche Konsequenzen hat das für die einzelnen Mitgliedsstaaten? Ja und dann sind da die vielen Fragen zu der Pandemie. Werden wir sie in Griff bekommen, oder wird die Pandemie uns weiterhin im Griff behalten? Fragen über Fragen, und die Liste ließe sich noch fortsetzen.
Veränderungen sind anstrengend und machen unsicher. Vor allem dann, wenn sich zunächst mehr Probleme als Lösungen abzeichnen. Viele suchen dann nach Halt und Beständigkeit. Manche sehnen sich nach den guten alten Zeiten zurück, in denen scheinbar noch klar war, wo es lang ging. Die anderen konzentrieren sich auf ihr Privatleben, das wenigstens einigermaßen überschaubar ist.
Das ist nachvollziehbar. Aber dennoch gehören Veränderungen zum Leben dazu. Auch die „guten alten Zeiten“ hatten in der Regel ihre Herausforderungen und Unsicherheiten. Klagen über die Jugend und über schlechte Zukunftsaussichten finden sich schon auf alten babylonischen Tonscherben. Ich möchte damit die aktuellen Probleme nicht relativieren. Ich möchte Mut machen, sich damit auseinanderzusetzen und nach neuen Lösungswegen zu suchen.
Wir kommen nicht darum herum, uns Veränderungen zu stellen. Übrigens auch nicht in unseren Kirchengemeinden. Gerade da stehen wir vor großen Veränderungen. Wir Christinnen und Christen werden immer weniger, die Gemeinden schrumpfen immer mehr. Zusammenlegungen von Gemeinden lassen sich nicht mehr vermeiden. In naher Zukunft wird nicht mehr in jedem Pfarrhaus das Licht brennen.
Christinnen und Christen werden ja gerne als konservativ bezeichnet. Das ist oft negativ gemeint, im Sinne von: an alten Traditionen hängend und wenig innovativ. Es stimmt schon, wir hängen an alten Traditionen: Jesus Christus gestern und heute und derselbe auch in Ewigkeit. Aber diese Tradition hat es in sich! Der christliche Glaube hat Menschen durch verschiedene Zeiten hindurch stark gemacht, die Werte Jesu hochzuhalten und sich für ein gutes Miteinander einzusetzen. Die Perspektive des Gottesreiches hat sie ermutigt, Gottes Liebe schon im hier und jetzt Gestalt zu geben, auch auf ungewöhnlichen Wegen. Sie haben auch in schweren Zeiten die Hoffnung nicht aufgegeben. Was für eine Kraft liegt in dieser alten Tradition, auch im Wandel der Zeiten!
Jesus Christus gestern und heute und derselbe auch in Ewigkeit. Es ist der Jesus Christus, den wir in diesem Advent wieder erwarten, dass er einziehe in unsere Häuser, Kirchen und Herzen.
In der alttestamentlichen Lesung aus dem Propheten Jesaja haben wir gehört, dass es eine Sehnsucht nach dem gibt, der zu uns kommt, der die die Himmelstüre aufreißen möge, herunterkommen und persönlich alles wieder zum Guten wenden möge.
Gerechtigkeit und Frieden schaffen, unaufhaltsam, gegen jeden Widerstand, so umfassend und eindeutig, dass selbst die letzten Zweifler mit offenem Mund dastehen und erkennen: Es gibt ihn, diesen Gott, auf den so viele ihre Hoffnung setzen.
Gerechtigkeit und Frieden schaffen, unaufhaltsam, gegen jeden Widerstand, so umfassend und eindeutig, dass selbst die letzten Zweifler mit offenem Mund dastehen und erkennen: Es gibt ihn, diesen Gott, auf den so viele ihre Hoffnung setzen.
Auch das Lied Nr.7 aus dem Gesangbuch greift diese Sehnsucht auf, wenn es dort heißt: O Heiland reiß die Himmel auf, herab, herab vom Himmel lauf, reiß ab vom Himmel Tor und Tür, reiß ab, wo Schloss und Riegel für.“
Dieser Heiland, Jesus Christus, ist der Grund, auf dem wir stehen. Das ist der Grund, auf dem wir uns zuversichtlich Veränderungen stellen können, im persönlichen Leben genauso wie im gesellschaftlichen und im kirchlichen Bereich. Mit Jesus Christus hat die Liebe Gottes Gestalt gewonnen. Diese Liebe bleibt. Wer darin verwurzelt ist, muss Veränderungen nicht fürchten. Darum wünsche ich Ihnen und mir mehr Gelassenheit und zuversichtliches Vorangehen, das von Jesus Christus und seiner guten Perspektive für unser Leben getragen ist.
Amen