Liebe Gemeinde!
Sie haben eine kleine Bildkarte bekommen. Ich möchte sie Ihnen gerne schenken. Zusammen wollen wir sie nun anschauen. Es handelt sich um ein so genanntes Kippbild. Das heißt wenn wir das Bild bewegen, sehen wir jeweils ein anderes Bild. Wir haben also drei Bilder in einem vor uns.
Wir halten jetzt die Karte so vor uns, dass wir zwei Männer sehen, die auf einem Weg zu sehen sind. Sie sind schon ein ganzes Stück gelaufen. Die Stadt, aus der sie kommen, ist weit weg im Hintergrund. Es ist Jerusalem, oben auf dem Hügel. Links läuft Andreas, rechts Kleopas, der mit dem gelben Mantel. Sehen wir ihre traurigen Gesichter? Und wie gebeugt sie nebeneinander gehen? Was ist passiert?
Jesus ist gestorben. Sie hatten so viel Hoffnung in ihn gesetzt und nun ist er tot. Mutlos und enttäuscht machen sie sich auf den Weg in ihr Dorf.
Viele von uns kennen die Trauer und Hoffnungslosigkeit, wenn ein naher Angehöriger gestorben ist. Wie soll das Leben nun ohne ihn weiter gehen?
Gleich hinter den beiden Männern ist noch ein dritter zu sehen. Aufmerksam folgt er ihnen und hört zu, was sie sich erzählen. Vielleicht kennen Sie die Redewendung: „Jemand ist ganz Ohr.“ Das sagt man von einem Menschen, der sehr aufmerksam einem anderen zuhört. So ist es auch bei dem fremden Wanderer. Er hört sich den ganzen Kummer der beiden Männer an. Sie reden über das, was geschehen ist, und kommen bei ihren Überlegungen keinen Schritt weiter. Die Traurigkeit übermannt sie. Sie fühlen sich verlassen – Gott verlassen. So sehen sie jedenfalls auf unserem Bild aus.
Nach einiger Zeit mischt sich der Fremde in das Gespräch der Jünger ein. Er erklärt ihnen, dass alles so kommen musste, was in den Heiligen Schriften geschrieben steht, dass ihr Herr und Meist1er sterben musste und dass er auferstehen wird.
Diesmal sind es die Jünger, die ganz Ohr sind. Sie staunen. So hat ihnen das noch nie jemand erklärt. Überhaupt tut es gut, dass sie erzählen können und dass ihnen jemand zuhört. Das ist bei vielen trauernden Menschen genauso.
Und dann kommen sie in das Dorf, wo sie hingingen. Sie bitten den ihnen noch fremden Mann zu bleiben und mit ihnen zu Essen. Sie sprechen zu ihm: Bleibe bei uns, Herr, denn es will Abend werden und der Tag hat sich geneigt. Und er bleibt.
Nun ist es an der Zeit, das zweite Bild zu betrachten. Wir drehen die Karte ein wenig nach hinten. Wir sehen die drei Männer etwas später. Sie sind zusammen, um zu essen. Denn es ist mittlerweile Abend geworden und sie haben Hunger. Der fremde Mann steht zwischen den beiden Jüngern und er hält ein Brot in seiner Hand, von dem er ein Stück abgebrochen hat, das er Kleopas reicht. Und wir sehen in die erstaunten Gesichter der beiden Jünger. Worüber staunen sie? Darüber, dass der Fremde das Brot teilt. Er tut genau das, was Jesus kurz vor seinem Tod am Kreuz auch getan hat, als sie das Abendmahl gefeiert haben. Auf einmal wird ihnen klar, dieser Mann im weißen Mantel ist Jesus. Er war auch schon vorher auf dem Weg dabei, als die Jünger so traurig waren. Da haben sie ihn noch nicht erkannt. Jetzt erst, als er das Bot brach, gehen ihnen die Augen auf. Das ist Jesus, er ist lebendig, er ist auferstanden.
Wir sehen, wie überrascht Kleopas und Andreas sind. Sie können es noch gar nicht fassen.
Und sie brechen gleich auf. Wenn wir die Karte noch ein Stückchen nach hinten drehen, sehen wir das dritte Bild. Die beiden laufen jetzt. Wohin? Zurück nach Jerusalem. Warum? Um diese frohe Botschaft den anderen Jüngern zu sagen: Jesus lebt. Er ist auferstanden.
Die beiden Jünger erleben etwas, was nach Ihnen immer wieder Menschen erlebt haben und was wir ebenso erleben können. Selbst in tiefer Angst und Not, wenn wir nicht wissen, wie es weiter gehen soll, geht Jesus mit uns. Blicken wir auf unser Kippbild. Es zeigt uns: Mit dem richtigen Blickwinkel kann sich vieles verändern. Da kann plötzlich ein anderes Bild vor unseren Augen erscheinen. Das andere Bild ist da, auch wenn man es nicht sieht. Man muss, sozusagen den richtigen Dreh herausbekommen, um das andere Bild wahrnehmen zu können.
So ergeht es auch uns manchmal mit dem Glauben an Gott. Einmal meinen wir, Gott ist bei uns. Das andere Mal glauben wir, er ist wieder ganz fern, ja weit weg. Die Jünger haben damals im rechten Augenblick den Blick für Jesus geschenkt bekommen. Als der unbekannte Fremde das Brot mit ihnen brach, als er mit ihnen den Kelch mit dem Wein teilte, da haben sie Jesus erkannt. Sie wussten in diesem Augenblick: Es ist der auferstandene Herr, der bei ihnen ist. Da ist es Ostern für sie geworden.
Jeder Sonntag, an dem wir uns zum Gottesdienst versammeln, will uns dafür den Blick öffnen und Hoffnung geben gegen alle Hoffnungslosigkeit. Das Licht von Ostern leuchtet hier auf. Es hat damals die Dunkelheit aus dem Leben der Jünger von Emmaus vertrieben. Es vertreibt auch das Dunkel aus unserem Leben. Amen