Liedpredigt EG 501 - Wie lieblich ist der Maien
Martin Behm hat dieses Lied vor mehr als 400 Jahren gedichtet. Er war Lehrer und später auch Pfarrer in der Oberlausitz. Er lebte in einer Welt, in der sich keiner von uns zurechtfinden würde: kein Strom, kein Gas, kein fließendes Wasser, keine Einkaufsmärkte. Alles musste von Hand gemacht werden. Und umgekehrt: Wäre Martin Behm in unsere Zeit versetzt worden: wäre er mindestens genauso aufgeschmissen: Autos und Flugzeuge würden ihm panischen Schrecken einjagen. Hilflos stände er in unseren Häusern vor all den technischen Geräten. Telefon, Radio, Fernseher, Computer, Smartphones und Tablets brächten ihn vollends durcheinander. Eine unüberbrückbare Kluft scheint das zu sein, die zwischen damals und heute liegt.
Sein Lied aber überspringt mühelos die Jahrhunderte mit all ihren Umwälzungen und geht auch uns unmittelbar zu Herzen. Zum einen wegen der Melodie. Ursprünglich war sie ein Frühlingstanz.
Melodie spielen
Die Melodie fährt einem direkt in die Beine, nicht wahr? Doch auch, wenn wir sitzen bleiben, weil sich das im Gottesdienst nun mal so gehört, dann bringt schon das Mitsummen und gar das Mitsingen noch den ganzen Oberkörper in Schwingung.
Und zum andern überspringt auch der Text des Liedes mühelos die Kluft zwischen damals und heute. Wir singen die erste Strophe:
Wie lieblich ist der Maien aus lauter Gottesgüt, des sich die Menschen freuen, weil alles grünt und blüht. DieTier sieht man jetzt springen mit Lust und grüner Weid die Vöglein hört man singen, die loben Gott mit Freud.
Martin Behm singt, was ganz ohne unser Zutun jedes Jahr von neuem die Lieblichkeit des Mai ins Leben bringt. Nach den dunklen, kalten und grauen Wintermonaten sind wir besonders empfänglich für das Grünen und Blühen. Auf jedem Fleckchen Erde, ja selbst aus Mauer- und Pflasterritzen dringt es hervor.
Auf den Weiden sind wieder Kühe und Pferde zu sehen. Und dazu noch die Vögel! Ihre Stimmen dringen schon bei Sonnenaufgang ins Schlafzimmer, wirken aber ganz anders als etwa der Verkehrslärm. Dessen Monotonie geht auf die Nerven. Das Vogelgezwitscher aber weckt die Freude am Leben und die Lust auf den neuen Tag:
"Die loben Gott mit Freud"- heißt es hier. Jaja, ich weiß: Die Vögel und die anderen Tiere wissen wahrscheinlich nichts von Gott, das tun nur wir Menschen. Und doch empfinden wir es so, dass uns die Schöpfung, das frische Grün, der Sonnenschein und der erquickliche Regen, die Stimmen der Tiere und Vögel, all das, Gott mit Freuden loben, es uns anspricht, uns zu Herzen geht. Wer sich dafür öffnet, hört ganz von selbst da draußen einen großen Lobgesang.
Wir singen die zweite Strophe:
Herr, dir sei Lob und für solche Gaben dein. Die Blüt zur Frucht vermehre, lass sie ersprießlich sein. Es steht in deinen Händen, dein Macht und Güt ist groß. Drum wollst du von uns wenden Mehltau, Frost, Reif und Schloß.
In der zweiten Strophe folgt auf das Lob die Bitte darum, dass der verheißungsvolle Anfang am Ende auch Früchte trägt. In Keimen und Blüten ist das vom Schöpfer zwar alles darauf angelegt- Aber es kann ja auch ganz anders kommen. Wie oft erleben wir, dass die schönsten Blüten zunichte gemacht werden durch Nachtfröste, durch Pilz oder anderen Schädlingsbefall oder durch Hagelschlag. Naturereignisse, denen man damals viel schutzloser ausgeliefert war als wir heute. Sie konnten dazu führen, dass man über Nacht vor dem Ruin stand. Von solchen Sorgen und Ängsten werden wir heute weniger heimgesucht, weil es für die Betroffenen Versicherungen und staatliche Hilfen gibt. Dafür wächst bei uns die Sorge darum, dass der von uns Menschen verursachte Klimawandel nicht mehr in den Griff zu bekommen ist. Weil die Verantwortlichen in Politik und Wirtschaft genauso wie wir Verbraucher zu kurzsichtig und egoistisch sind, um unsere Mitgeschöpfe vor weiterer Vernichtung zu bewahren und unseren Nachkommen eine lebenswerte Welt zu erhalten.
Wir singen die 3. Strophe:
Herr, lass die Sonne blicken ins finstre Herze mein, damit sichs möge schicken, fröhlich im Geist zu sein, die größte Lust zu haben allein an deinem Wort, das mich im Kreuz kann laben und weist des Himmels Pfort.
Ja, und wenn Gott unsere Bitte nicht erfüllt und das Unglück nicht abwendet? Wenn es im Leben so ganz anders kommt, als wir uns das gewünscht und von Gott erbeten haben? Und warum? – Warum in aller Welt lässt Gott das zu? Ich habe darauf schon so viele Antworten gehört, sie auch selber zu geben versucht. Keine davon überzeugt wirklich und macht ruhig. Diese Frage bleibt offen. Und damit fällt ein unheilvoller Schatten auf unser Leben und verfinstert das Herz: „Herr, lass die Sonne blicken ins finstre Herze mein" -. Da kann es mitten im Jubel über die Schönheit da draußen im Herzen drinnen zappenduster sein. Da kann man sich monatelang auf Frühling, blauen Himmel, Sonne und Farben gefreut haben - und trotzdem bleibt es finster im Herzen, weil die Enttäuschung und dass Leiden an dem Gott, der nicht hilft, das Herz besetzt halten und nicht verdrängt werden können.
Schick, lieber Gott, die Sonne in mein Herz, "damit sich es möge schicken, fröhlich im Geist zu sein". Hier ist von einer Fröhlichkeit die Rede, die nicht von selber kommt und geht, sondern in die man sich schicken kann, wenn einem gar nicht nach Fröhlichkeit ist, in die Fröhlichkeit des Geistes. Sie entsteht, wenn wir uns im Dunkeln umsehen nach dem, was uns aufrichtet, Halt und Perspektive gibt. Sie freut sich, hat ihre Lust daran, dass Gott nicht aufhört zu reden, wenn seine Sprache in der Welt dunkel wird und unverständlich. Sein Wort an uns geht doch weiter in den Geschichten von dem Mann, der Leiden und Kreuz auf sich genommen hat, damit wir da nicht allein sind und gewiss sein können, dass die Pforte des Himmels uns offensteht. Denn als Gottes Kinder sind wir nicht nur von dieser Welt.
Wir singen die 4. Strophe:
Mein Arbeit hilf vollbringen zu Lobe dem Namen dein, und lass mir wohl gelingen, im Geist fruchtbar zu sein. Die Blümlein lass aufgehen von Tugend mancherlei, auf dass ich mög bestehen und nicht verwerflich sei.
Dass Arbeit gelingt, Leistung sich lohnt, Spaß macht, Anerkennung findet, dass durch Arbeit Selbstwertgefühl erzeugt wird, dass der Mensch die Welt durch Arbeit umgestalten und verändern kann - das ist doch alles andere als selbstverständlich. Das spricht doch nicht gegen, das spricht für Gott! Und darum kann ich ihm mit meiner täglichen Arbeit dienen, indem ich sie nach seinem Willen ausrichte. Das ist Gott ebenso wichtig wie der Gottesdienst in der Kirche.
Die Bitte um Fruchtbarkeit im Geist geht genau darum: dass ich bei aller Leistung, bei aller Arbeit nicht vergesse, sondern wahrnehme und erkennbar mache, wes Geistes Kind ich bin! Gott möge uns Menschen sein und werden lassen, die wie Blumen wirken, einen wohltuenden, die Lebensgeister weckenden Duft verbreiten und den Betrachtern ein erfreuliches Bild bieten. Amen